US-Kongress:Gefangen in der Blockade

Den Senat dominieren wie bisher die Demokraten, das Repräsentantenhaus weiterhin die Republikaner. Das könnte den politischen Stillstand der vergangenen zwei Jahre verlängern und den Amerikanern ans Geld gehen.

Reymer Klüver

Eigentlich, so könnte man die Botschaft dieser Wahl missverstehen, soll sich in Washington nichts ändern. Der neue Präsident wird der alte sein. Und im Kongress bleibt alles so, wie es war: Das Repräsentantenhaus wird weiterhin fest im Griff der Republikaner sein. Den Senat aber werden wie bisher die Demokraten dominieren.

Zwar dürfte der Erhalt des Status quo kaum im Interesse der Wähler liegen: In Umfragen haben sich die Amerikaner immer wieder über die politische Selbstlähmung im Kongress beklagt, wo sich Republikaner und Demokraten kaum mehr auf Kompromisse haben einigen können. Doch am Dienstag haben die US-Bürger im Prinzip die herrschenden Mehrheitsverhältnisse bestätigt - und damit, wie nicht wenige in Washington nun befürchten, den politischen Stillstand der vergangenen zwei Jahre verlängert.

Das Mehrheitsverhältnis im Senat bleibt bestehen

Dabei hatten sich die Republikaner zumindest in der ersten Hälfte des Jahres berechtigte Hoffnungen machen können, nach dem Repräsentantenhaus auch die Mehrheit im Senat erobern zu können. So ist es nicht gekommen. Die Demokraten dürften den Republikanern sogar drei Sitze abnehmen können, wenn sich die bisherige Tendenz bei der Stimmenauszählung bestätigen sollte.

Dem steht nur der Zugewinn eines Mandats für die Republikaner entgegen. An den Mehrheitsverhältnissen im Senat wird sich indes nichts dramatisch ändern: Die Demokraten dürften künftig wohl 55 Sitze haben, die Republikaner 45. Wirklich interessant würde es erst, wenn eine Partei 60 Stimmen erringen könnte: Damit könnten dann sogenannte Filibuster verhindert werden, mit denen die Minderheit im Senat Gesetzgebungsverfahren blockieren kann. Davon indes sind die Demokraten weit entfernt.

Florida, Ohio, Wisconsin, Nevada - Gradmesser der Wahl

Allerdings haben sie sich in den meisten der Senatsrennen erstaunlich gut behaupten können. Mit Spannung wurden vor allem die Wahlen in den Swing States beobachtet, also etwa in Florida, Virginia, Ohio, Wisconsin und Nevada. In Florida galten die seit Monaten stetig steigenden Chancen des demokratischen Amtsinhabers Bill Nelson auf seine Wiederwahl auch als Gradmesser für die Aussichten Präsident Barack Obamas in Florida. Nelson gewann ungefährdet.

Auch in Ohio konnte sich der demokratische Parteilinke Sherrod Brown am Ende einer Wiederwahl sicher sein. Er siegte mit fünf Prozentpunkten Vorsprung vor dem republikanischen Rivalen - deutlich mehr als die zwei Prozentpunkte Abstand Obamas in Ohio vor Mitt Romney.

Eines der spannendsten Senatsrennen war die Auseinandersetzung zwischen dem ehemaligen demokratischen Gouverneur Virginias, Tim Kaine, und dem republikanischen ehemaligen Senator George Allen, der seinen Sitz 2008 verloren hatte. Kaine siegte ebenfalls mit deutlichem Vorsprung - ein weiterer Beleg dafür, dass der einst von Republikanern dominierte Bundesstaat inzwischen fest zu den Swing States zählt.

In Wisconsin setzte sich die demokratische Kongressabgeordnete Tammy Baldwin gegen den Republikaner und ehemaligen Gouverneur des Bundesstaates, Tommy Thompson durch. Baldwin ist die erste offen lesbische Senatorin. In Nevada indes scheiterte die demokratische Kandidatin Shelley Berkley am republikanischen Amtsinhaber Dean Heller.

Wichtige Erfolge für die Demokraten

In Massachusetts gelang es den Demokraten dagegen, den 2010 bei einer Nachwahl nach dem Tod Edward Kennedys an die Republikaner verlorenen Senatssitz wieder zurückzuholen. Die Demokratin Elizabeth Warren besiegte überraschend deutlich den republikanischen Amtsinhaber Scott Brown - ein für die Demokraten psychologisch wichtiger Erfolg. Browns Coup vor gut zwei Jahren hatte den Aufstieg der Tea-Party-Bewegung angekündigt, deren Anhänger damals Stimmen für Brown mobilisierten.

Im benachbarten Connecticut sicherte sich der Demokrat Chris Murphy den Sitz des ausscheidenden Senators Joe Lieberman. Auch dort hatten sich Republikaner Hoffnungen gemacht, zumal Murphys schwerreiche republikanische Konkurrentin Linda McMahon mit Millionenbeträgen aus ihrer Privatkasse deutlich mehr in den Wahlkampf stecken konnte als er selbst. In Maine setzte sich der unabhängige Kandidat Angus King durch. Der ehemalige Gouverneur des Bundesstaats im Nordosten will sich aber im Senat den Demokraten anschließen. Bisher wurde der Sitz von der Republikanerin Olympia Snowe gehalten, die nicht wieder antrat.

Demokraten sichern sich drei Plätze mehr

Im Mittleren Westen mussten die Republikaner einen Preis dafür zahlen, dass sie mit Tea-Party-Kandidaten ins Rennen zogen. Im konservativen Missouri gelang der lange als gefährdet geltenden demokratischen Amtsinhaberin Claire McCaskill ein klarer Erfolg gegen den Republikaner Todd Akin. Der hatte im Wahlkampf davon geredet, dass Frauen einen inneren Abwehrmechanismus entwickeln und nicht schwanger würden, wenn sie eine Vergewaltigung wirklich nicht wollten.

US-Kongress: Alles beim alten: Gleicher Präsident, gleiche Mehrheitsverteilung im Senat.

Alles beim alten: Gleicher Präsident, gleiche Mehrheitsverteilung im Senat.

(Foto: AFP)

Und in Indiana konnten die Demokraten den Republikanern sogar einen Sitz abnehmen. Dort hatte der Tea-Party-Mann Richard Mourdock in den Vorwahlen den langjährigen Amtsinhaber Richard Lugar verdrängt. Im Wahlkampf sprach dann auch Mourdock davon, dass eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung dem Willen Gottes entspreche. Im Präsidentschaftsrennen gingen beide Bundesstaaten im Übrigen an Mitt Romney.

Ein Überraschungserfolg könnte den Demokraten auch im konservativen North-Dakota gelingen. Dort hatten sie den Sitz des bisherigen Amtsinhabers Kent Conrad eigentlich schon aufgegeben, der nicht wieder kandidierte. Zwar war das Ergebnis am Mittwoch noch nicht amtlich bestätigt. Doch dürfte sich seine Nachfolgekandidatin Heidi Heitkamp durchgesetzt haben.

Republikaner verlieren nur zwei Sitze im Senat

Im Repräsentantenhaus haben sich die Hoffnungen der Demokraten, den Republikanern in größerem Umfang Sitze streitig zu machen, dagegen offenbar nicht erfüllt. Die Republikaner hatten 2010 eine klare Mehrheit in der unteren Kammer des US-Parlaments erobert. Am Tag nach der Wahl stand lediglich fest, dass die Demokraten den Republikanern unterm Strich nur zwei Sitze haben streitig machen können.

Allerdings war das Ergebnis bei einer Reihe weiterer Mandate noch offen. Die Vorfrau der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, hatte vor wenigen Monaten erklärt, dass die Demokraten sich die Mehrheit wieder zurückerobern könnten. Davon kann nun nicht die Rede sein.

Der bisherige Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, ließ noch am Wahltag erkennen, dass er den Machterhalt der Republikaner im Repräsentantenhaus als einen ebenso klaren Wählerauftrag ansehe, wie ihn Präsident Obama erhalten habe.

Die Wähler erwarteten von den Republikanern im Repräsentantenhaus, dass sie ihre Oppositionspolitik gegenüber dem Präsidenten fortsetzen. "Seit zwei Jahren ist unsere Mehrheit im Repräsentantenhaus die Hauptverteidigungslinie des amerikanischen Volkes gegen eine Regierung, die zu viel Geld ausgibt, zu viel Steuern erhebt und zu viel Schulden macht", sagte Boehner.

Mögliche Auswirkung der Senatzusammensetzung: Konjunktureinbruch

Das lässt wenig Hoffnung auf eine Einigung im drohenden Streit um die sogenannte "fiskalische Klippe" aufkommen. Sollte es zu keinem Kompromiss zwischen dem Präsidenten und dem Kongress kommen, fallen zum Jahresende seit Zeiten von Präsident George W. Bush geltende Steuererleichterungen weg. Gleichzeitig würden Sparmaßnahmen beim Haushalt in Höhe von etwa 110 Milliarden Dollar pro Jahr in Kraft treten. Experten befürchten, dass die Auswirkungen beider Maßnahmen zu einem Konjunktureinbruch in den USA führen könnten.

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