Selbstmord der Rechtsterroristen Mundlos und Böhnhardt:Rätselhafte letzte Sekunden im Wohnmobil

Lesezeit: 3 Min.

Als sich die Polizisten dem Caravan der Zwickauer Terrorzelle näherten, soll der Neonazi Uwe Mundlos zuerst seinen Komplizen Uwe Böhnhardt und dann sich selbst erschossen haben. Doch nun prüfen die Ermittler eine andere Variante. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Mundlos seinen Komplizen versehentlich erschossen hat.

Hans Leyendecker

Im Fall der Zwickauer Terrorzelle gab es schon einige Wendungen und auch Irrungen, aber zumindest das Ende schien bislang klar zu sein. Die Geschichte ging so: Am Mittag des 4. November näherten sich zwei Polizisten in Eisenach einem Wohnmobil, in dem sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt versteckt hielten. Dann fielen Schüsse. Erst soll Mundlos seinen Komplizen Böhnhardt, dann sich selbst erschossen haben.

Die Rechtsextremisten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt starben in diesem Wohnwagen in Eisenach. (Foto: dpa)

Nach Feststellungen der Sonderkommission "Trio" kann es so gewesen sein, aber vielleicht war es auch anders. Kriminaltechniker haben die Schusswinkel bestimmt, die Lage der Waffen und der Hülsen im Wohnmobil analysiert, um den Handlungsablauf in dem Caravan zu rekonstruieren. Jetzt wollen die Ermittler nicht mehr ausschließen, dass Böhnhardt versehentlich von Mundlos erschossen wurde und dass dieser nach seinem Fehlschuss das Wohnmobil angezündet und dann sich selbst erschossen hat.

Anders als es in frühen amtlichen Papieren steht, wurde Böhnhardt nicht durch einen aufgesetzten Schuss in die Schläfe getötet, sondern durch einen Schuss aus kurzer Entfernung, einem "relativen Nahschuss". Eine Stanzmarke, die bei einem "absoluten Nahschuss" entsteht und dann den Abdruck der Schusswaffe zeigt, konnte, anders als zunächst behauptet wurde, nicht festgestellt werden. Jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit.

Aber auch die alternative Version öffnet keine Tür für die umlaufenden Verschwörungstheorien: Danach soll eine dritte Person am Tatort gewesen sein und die beiden Terroristen erschossen haben. Verschwörungsjunkies behaupten sogar, es könne sich nur um eine in Diensten des Staates stehende Person gehandelt haben, die irgendeine Art der Verflechtung der Zwickauer Terrorzelle mit dem Staat verdecken wollte.

Man werde doch noch Fragen stellen dürfen, sagen solche Rauner, wenn sie um Indizien für ihre Theorien gebeten werden. Doch dann kommt nichts. Weiterhin spricht nichts für eine dritte Person am Tatort.

Die unter Fahndern neu diskutierte zweite Version des Todes von Böhnhardt und Mundlos könnte allerdings einige Punkte klären, die bisher nicht nachzuvollziehen waren. Rätselhaft war: Warum bringen sich zwei Killer, die im Laufe der Jahre zehn Menschen kaltblütig ermordet haben, sofort um, wenn sich ihnen die Staatsmacht nähert? Zwei Polizisten hatten Stunden nach einem Banküberfall in Eisenach das Wohnmobil entdeckt, über Funk Verstärkung gerufen und sich dann dem Caravan genähert.

Böhnhardt und Mundlos hatten eine Maschinenpistole vom Typ Pleter, zwei Pumpguns, einen Revolver, eine Ceska und zwei Heckler & Koch P 2000 dabei. Die beiden P 2000 hatten sie im April 2007 Polizisten in Heilbronn, denen sie in den Kopf geschossen hatten, abgenommen. Also eigentlich genug Waffen, um sich dem Zugriff fürs Erste zu entziehen, wenngleich einige der Schießgeräte in der Verkleidung des Wohnmobils steckten und nicht sofort griffbereit waren.

Kapitulieren schwer bewaffnete Serienmörder, die Macht über Leben und Tod haben wollten und sich als Vollstrecker sahen, ohne irgendeine Form der letzten Gewalt, wenn zwei Polizisten auf sie zukommen? Fest steht, dass noch ein Schuss aus der Pleter abgegeben wurde. Doch die Maschinenpistole hatte dann eine Ladehemmung, sie klemmte.

Es könnte durchaus sein, dass Mundlos anschließend zur Pumpgun vom Typ Winchester gegriffen und dann beim ersten Schuss den Komplizen getroffen hat. Bevor Mundlos sich kurz darauf selbst umbrachte, legte er noch Feuer. Beide Leichen waren teilweise verbrannt. Version eins und Version zwei verbindet ein alter Schwur der Terroristen. Früh hatten sie erklärt, dass sie sich eher erschießen würden als sich zu stellen. Über all die Jahre sollen sie immer wieder über das Ende und die dann fällige Selbsttötung geredet haben.

Beim blutigen Finale von Eisenach hat die Gothaer Polizei zumindest ein bisschen die Berufsehre der Sicherheitsbehörden gerettet. Bekannt ist das serienweise Versagen staatlicher Ermittler beim Untertauchen der Terroristen im Jahr 1998 und das organisierte Scheitern beim Versuch, die Verbrecher zu finden. Den Gothaern genügte ein Banküberfall in ihrer Region, um den Gangstern auf die Spur zu kommen.

Am 7. September waren diese zu einem Banküberfall ins thüringische Arnstadt auf Fahrrädern gekommen und hatten sich anschließend mit den Rädern im Wohnmobil versteckt. Ausgerechnet der Besitzer einer Döner-Bude gab dann den entscheidenden Tipp: "Die hauen gar nicht gleich ab, die bleiben erst mal da", analysierte später ein Beamter.

Nach dem zweiten Banküberfall, diesmal in Eisenach, knapp zwei Monate später, suchten die Gothaer mit 13 Streifenwagen nach Fahrrädern und einem Wohnmobil. Ein Polizeidirektor stieg sofort in einen Hubschrauber, um rasch vor Ort zu sein. Die Spur der Terroristen war wirklich breit genug, um sie zu finden.

© SZ vom 27.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: