Seibert gibt Twitter-Interview:@RegSprecher im Zwitscher-Stress

Twitter-Gründer Jack Dorsey ist zu Gast bei Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Steffen Seibert, erklärter Fan des sozialen Mediums, nimmt den Besuch zum Anlass für eine digitale Privataudienz: Fast eine Stunde lang überschütten ihn Twitternutzer mit Fragen. Nicht alle Antworten treffen auf Begeisterung.

Kathrin Haimerl

"Ob der @RegSprecher wusste, auf was er sich da einlässt? Hunderte Fragen in 30 Minuten?", schreibt ein Nutzer. Der Grund: Zum Besuch von Twitter-Gründer Jack Dorsey in Berlin hat Angela Merkels Sprecher Steffen Seibert unter dem Hashtag #fragreg ein halbstündiges Interview auf Twitter angekündigt. Wenige Minuten vor Beginn um 11:30 Uhr schreibt Seibert: "Guten Morgen, hier sitze ich, Tablet ist frisch geladen, es kann losgehen."

Seibert gibt Twitter-Interview

Regierungssprecher Steffen Seibert mit Angela Merkel: Den Bürgerdialog auf Twitter überlässt die Kanzlerin auch künftig ihrem Sprecher.

(Foto: Getty Images)

Für Nicht-Zwitscherer zur Erklärung: Twitter, das ist ein Kurznachrichtendienst, auf dem Nutzer in 140 Zeichen Meinungen, Befindlichkeiten und Ähnliches abgeben können. Seit einem Jahr sammelt der frühere Journalist Seibert seine Erfahrungen mit dem Medium. Es waren nicht nur positive: Im Februar etwa brach ein Shitstorm über den Regierungssprecher herein, als er sich positiv über das Acta-Abkommen äußerte. An diesem Donnerstag probt Seibert den Bürgerdialog 2.0, eine ganze halbe Stunde lang will er direkt mit dem Volk kommunizieren. Die Nutzer bombardieren ihn mit Fragen, zeitweise kommen mehr als zehn pro Minute. "Auf 1000 Fragen 1 Antwort - @RegSprecher müsste sich vervielfältigen", schreibt ein Nutzer augenzwinkernd.

Doch Seibert versucht, sich dem Ansturm zu stellen. Wie dies aussieht, auch davon können sich die Twitter-Nutzer ein Bild machen. Der Regierungssprecher hat von sich und seiner Arbeit ein Foto gepostet: Seibert sitzt über sein iPad gebeugt und tippt konzentriert, am linken Bildrand ist noch Seiberts Rechner zu sehen, was prompt einen Nutzer veranlasst, zu fragen: "Wie viele Zeichen pro Minute tippt der Herr Seibert wohl? Und warum nimmt er nicht den Rechner neben seinem Tablet?"

Es ist eine der vielen Fragen, die Seibert unbeantwortet lässt. Dabei ist der Regierungssprecher im Umgang mit dem iPad ziemlich fix: Bis zu drei Fragen pro Minute arbeitet er ab - und das liest sich dann folgendermaßen:

Michael Rocek: @RegSprecher Wünschten Sie sich nicht manchm. lieber beim ZDF geblieben zu sein als die Taten d. Regierung "schönreden" zu müssen?

Steffen Seibert: Nein, ich war 21 schöne Jahre lang Journalist. Neue Aufgabe, Politik zu erklären u. zu informieren, anders, aber auch schön.

The Big eM: Sind Sie allen ernstes der Auffassung, heute alle Fragen ehrlich zu beantworten? Die Betonung liegt auf EHRLICH!

Seibert: Ja, natürlich bin ich ehrlich, aber für alle Fragen wird es zeitlich nicht reichen, obwohl ich Helfer habe.

Leo Khiwi: Ist ein Regierungssprecher bei wichtigen Entscheidungsfindungen mit dabei oder bekommter er nur das Ergebnis mit?

Seibert: Er ist häufig dabei, und wenn nicht, wird er bestens informiert.

Christopher Cottrell: Warum liegt die Kanzlerin so viel Wert darauf, Interviews ausschließlich auf Deutsch zu führen?

Seibert: Weil sie die deutsche Bundeskanzlerin ist.

Lars Stosch: was ist derzeit ihr lieblingssong?

Seibert: Irgendwas von Mac Miller, kenne den Titel nicht.

Carl Schwarz: Könnten Sie im Twitterview noch etwas zu NRW sagen, statt über ihre Lieblingsmusik?

Seibert: Landespolitik ist nichts für Sprecher der Bundesreg. Wir arbeiten hier in Berlin an unseren Aufgaben.

Viel Persönliches also, es kommen aber auch viele Fragen zur Politik: Zum Beispiel will eine Nutzerin wissen, ob es verbindliche Frauenquoten auch für Behörden geben soll. Seiberts Antwort: "Wollen noch mehr Frauen in Führungspositionen, dabei gilt Grundgesetz: Auswahl nach Leistung, Eignung, Befähigung." 140 Zeichen bieten eben nicht viel Platz für eine fundierte Antwort.

Unbefriedigend für viele Nutzer ist auch Seiberts Statement zum Anti-Piraterie-Abkommen Acta. Nach heftigen Protesten von Internetnutzern hatte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Unterzeichnung des Papiers durch die Bundesregierung gestoppt. "Bundesreg. steht zu Kabinettsbeschluss zu Acta. Ist aber richtig, jetzt Gutachten des Europ. Gerichtshofs abzuwarten", schreibt der Regierungssprecher.

Der Blogger Markus Beckedahl sieht deshalb die Befürchtung vieler Netzaktivisten bestätigt, "dass es sich dabei um ein reines taktisches Manöver gehandelt habe, um Druck aus den Protesten zu nehmen".

Ein Twitternutzer will wissen, ob Social-Media-Dialoge bald mal auch mit "der Frau Bundeskanzlerin" direkt möglich sein werden? Schließlich ist die Vorliebe der Kanzlerin für das Kommunizieren per SMS bekannt. Twitter-Gründer Dorsey, dessen Treffen mit Merkel von Seibert per Bild dokumentiert wurde, hatte kurz nach seiner Landung verkündet: "Just landed in Berlin for a visit with Chancellor Angela Merkel. I've been wanting to meet her for a while: the world needs her on Twitter."

Doch selbst aktiv werden will die Kanzlerin auf dem sozialen Netzwerk nicht: "Es bleibt dabei: als @RegSprecher twittere ich über die Arbeit der Kanzlerin und der Regierung. Alles Wichtige auf Twitter erreicht über mich auch die Kanzlerin", schreibt Seibert.

Dafür aber scheint der Regierungssprecher Spaß an der direkten Kommunikation mit den Nutzern gefunden zu haben: Die angekündigte halbe Stunde ist längst um, da twittert Seibert immer noch. Erst kurz vor halb eins erklärt er seine Privataudienz für beendet: "Zeit rasend vergangen, jetzt muss ich los, ich denke, wir machen das mal wieder."

Mit Material von dapd

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