Seenotrettung:Neues Drama um Flüchtlingsschiff

Italiens Innenminister: Die 177 Migranten kommen erst von Bord der "Diciotti", wenn ihre Verteilung in Europa geregelt ist.

Von Andrea Bachstein und Alexander Mühlauer, Brüssel/München

Im Hafen von Catania auf Sizilien haben am Dienstag 177 Flüchtlinge an Bord des italienischen Küstenwachschiffs Diciotti weiter darauf gewartet, an Land zu dürfen. Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte ihnen dies verweigert, solange keine verbindlichen Zusagen anderer EU-Länder vorlägen, sich an der Aufnahme der Flüchtlinge zu beteiligen. Die Menschen harrten da bereits sechs Tage auf dem Schiff aus. Das Flüchtlingswerk UNHCR forderte, sie an Land zu lassen: "Die Menschen an Bord waren Missbrauch und Folter ausgesetzt, sie sind Opfer von Menschenhandel." Sie benötigten Hilfe und hätten das Recht, Asyl zu beantragen, sagte eine UNHCR-Vertreterin.

In Brüssel suchte die EU-Kommission indes weiter nach Lösungen. Die Behörde ist auf Bitten Italiens im Gespräch mit mehreren EU-Staaten und will ausloten, welche Länder bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen, und wie Hilfen koordiniert werden könnten. Dabei gehe es um "langfristige und nachhaltige Regelungen", hieß es in Brüssel. Ziel sei es, eine Lösung wie beim Rettungsschiff Aquarius zu finden, das kürzlich 141 Flüchtlinge nach Malta bringen konnte, die auf Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Spanien verteilt werden sollten.

Das Schiff der italienischen Küstenwache hatte am Donnerstag 190 Migranten 17 Seemeilen vor der sizilianischen Insel Lampedusa von einem Schlauchboot aufgenommen. 13 Geborgene wurden zur ärztlichen Behandlung nach Lampedusa gebracht. Mit den übrigen 177 musste die Diciotti dann vier Tage warten, obwohl das Schiff nicht für den Aufenthalt so vieler Menschen ausgelegt ist. Innenminister Salvini von der rechtspopulistischen Lega verweigerte ihr die Einfahrt in einen italienischen Hafen. Er liegt im Streit mit der Regierung in Valletta; Salvini ist der Ansicht, Maltas Küstenwache hätte die Migranten aufnehmen müssen, als diese noch in Maltas Gewässern waren.

Am Montag wurde der Fall zum Konfliktstoff der Koalitionsregierung in Rom. Transport- und Infrastrukturminister Danilo Toninelli von den Cinque Stelle, zuständig für die der Marine angegliederte Küstenwache, genehmigte der Diciotti, in Catania zu landen. Eine halbe Stunde später widersprach das Innenministerium, es gebe keine Landeerlaubnis. Schließlich konnte die Diciotti gegen Mitternacht Catanias Hafen anlaufen, doch bestand Salvini darauf, dass keiner der Geretteten an Land darf, bis deren Aufnahme geregelt ist.

Den Vorgang kritisieren nicht nur Flüchtlings- und Rettungsorganisationen heftig. Italiens voriger Premier Paolo Gentiloni nannte es auf Twitter "eine Weltpremiere, dass ein Schiff der Küstenwache aus den Häfen des eigenen Landes verbannt wird". Auch ein früherer Admiral der italienischen Marine kritisierte den Umgang des Innenministers mit den Flüchtlingen und der Küstenwache. Es ist nicht das erste Mal: Bereits im Juli musste die Diciotti mit 450 von Libyen kommenden Flüchtlinge drei Tage warten, bis Salvini sie in Sizilien an Land ließ.

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