Süddeutsche Zeitung

Südkorea und die USA:Riskante Drohgebärden

Nach Nordkoreas Provokationen rasseln Seoul und Washington nun sehr vernehmbar mit den Säbeln. Das entfernt die zwei Koreas von einem Ausgleich - und birgt das Risiko, dass jemandem die Sicherung durchbrennt.

Christoph Neidhart

Präsident George W. Bush, nicht gerade eine Friedenstaube, ließ gegen den Willen seines Vizepräsidenten und trotz Drohungen mit Nordkorea verhandeln. Er dürfte gewusst haben, dass Pjöngjang so bald nicht auf seine Atomwaffen verzichtet.

Wenn alle beteiligten Parteien an einem Tisch sitzen, so die Logik der Sechs-Nationen-Gespräche, ist das Regime halbwegs eingebunden. Vor allem konnte Kim Jong Il am sechseckigen Tisch die Chinesen nicht gegen die USA oder die Südkoreaner ausspielen, wie er das immer wieder getan hat. Und die Zeit spielt gegen die Kims.

Barack Obama, der erste US-Präsident, der seine primäre Aufmerksamkeit auf den Pazifik richten wollte, hat Nordkorea zwei Jahre lang ignoriert. Die Japaner ließ er demütigen, weil sie sich ein bisschen aus der Bevormundung Washingtons lösen wollten. Mit China streitet seine Regierung vorzugsweise um den Wechselkurs und wurde beim G-20-Gipfel dafür in die Schranken gewiesen. Obamas Ostasienpolitik reduzierte sich auf die Wahrung der Macht, die Beibehaltung des Status quo.

Als das Ignorieren nicht mehr ging, weil der Norden aggressiver wurde, um wahrgenommen und mit Hilfe versorgt zu werden, verschärften die USA die Sanktionen. Diese wirken kaum, treiben Pjöngjang aber in größere Abhängigkeit von China. Das passt den Kims gar nicht. Sie haben sich stets von zwei oder drei Staaten aushalten lassen. Also rasselte der Norden lauter mit den Säbeln.

Jetzt rasseln Seoul und Washington ihrerseits sehr vernehmbar zurück. Das dürfte das Regime in Pjöngjang eher stärken, entfernt die zwei Koreas aber von einem Ausgleich. Und birgt das Risiko, dass jemandem eine Sicherung durchbrennt.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2010
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