BrandenburgEin lauter Streit um ein stilles Gedenken

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Sergej Netschajew, russischer Botschafter in Berlin, steht während der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Schlacht um die Seelower Höhen am Ehrenmal.
Sergej Netschajew, russischer Botschafter in Berlin, steht während der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Schlacht um die Seelower Höhen am Ehrenmal. (Foto: Sören Stache/dpa)

Russlands Botschafter nimmt an einer Feierstunde teil, die an die sowjetischen und deutschen Opfer einer großen Weltkriegsschlacht vor 80 Jahren erinnert. Eine Empfehlung des Auswärtigen Amts, ihn davon auszuschließen, stößt nun auf heftige Kritik.

Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, hat an einem stillen Gedenken an die Schlacht auf den Seelower Höhen teilgenommen – trotz einer Empfehlung, ihn davon auszuschließen. Das Gedenken zum 80. Jahrestag in Brandenburg wird von der Debatte über eine Handreichung des Auswärtigen Amts überschattet, keine Vertreter von Russland und Belarus zu solchen Veranstaltungen einzuladen. Auch der Gesandte Botschaftsrat von Belarus in Deutschland, Andrej Schupljak, nahm an der Zeremonie teil. Die Schlacht um die Seelower Höhen gilt als größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden. Auf deutscher und sowjetischer Seite starben laut der Gedenkstätte Museum Seelower Höhen Zehntausende Soldaten.

Der Landkreis Märkisch-Oderland und die Stadt Seelow, die die Veranstaltung organisieren, hatten die Vertreter von Russland und Belarus nicht aktiv eingeladen. Sie legten ihnen aber auch nicht nahe, das Gedenken zu verlassen, sondern kritisieren die Handreichung. Vize-Landrat Friedemann Hanke (CDU) hatte sie als „Quatsch“ bezeichnet. „Es ist ein diplomatisch – sagen wir es mal vorsichtig – nicht sehr freundlicher Akt gegenüber den Nachfahren der Menschen, die hier begraben liegen“, kritisierte BSW-Landtagsfraktionschef Niels-Olaf Lüders. „Ihnen untersagen zu wollen, an die Gräber ihrer Vorfahren zu gehen, finde ich absolut unakzeptabel.“ Die Empfehlung sei „ziemlich geschichtsvergessen und unangemessen“.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Sina Schönbrunn nannte die Handlungsempfehlung des Auswärtigen Amts „absurd“. „Natürlich kann man alles instrumentalisieren, aber uns sollte es doch heute vor allen Dingen darum gehen, der Toten zu gedenken“, sagte sie dem Inforadio des RBB. „Wir müssen hier nach vorne schauen.“ Es sei ein mahnendes, stilles Gedenken. In der Handlungsempfehlung des Auswärtigen Amts heißt es, dass es im Inland grundsätzlich keine Teilnahme offizieller deutscher Stellen an Veranstaltungen auf Einladung von Russland und Belarus geben solle – und keine Einladung an russische und belarussische Vertreter zu Gedenken von Bund, Ländern und Kommunen. Dies wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Kreisen der Landesregierung bestätigt. Dabei soll auch vom Hausrecht Gebrauch gemacht werden können. Mit der Empfehlung will das Außenministerium eine Instrumentalisierung des Zweiten Weltkrieges durch Russland zur Rechtfertigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verhindern.

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