Seehofer und die Pkw-Maut:Hauptsache, es scheppert

ARD-Sommerinterview mit Seehofer

"Die Umsetzung ist meine kleinste Sorge": Horst Seehofer beim ARD-Sommerinterview am Sonntag in Berlin

(Foto: dpa)

Es gibt Vorschläge, die sind unsinnig. Es gibt Vorschläge, die sind undurchdacht. Und es gibt Vorschläge von CSU-Chef Horst Seehofer. Die Pkw-Maut ist ein Musterbeispiel dafür, wie der bayerische Ministerpräsident Politik macht. Seine Themen müssen bewegen, mehr nicht.

Von Mike Szymanski

Die Forderung nach einer Pkw-Maut ist für CSU-Chef Horst Seehofer eine feine Sache. Die Abgabe ist momentan weit davon entfernt, jemals beschlossen zu werden, weil außer Seehofer niemand so recht davon begeistert ist. Ausgezahlt hat sie sich für den Wahlkämpfer aus Bayern bis jetzt aber allemal. Man muss sogar sagen: Der Parteichef hat bislang den maximalen Ertrag aus der Pkw-Maut herausgeholt.

Wann immer die CSU in den vergangenen Jahren die Pläne für eine Pkw-Maut auch nur als Drohung aus der Schublade holte, dann wurde es recht schnell teuer für die Bundesregierung. Ein ums andere Mal hat Berlin schon mehr Geld in den Verkehrsetat gepumpt, bloß damit die CSU endlich Ruhe gibt. Faktisch existierte bereits eine Art Maut-Maut. Wenn Seehofer mit der Maut drohte, floss Geld. Und jedes Mal feierte der Regierungschef aus Bayern dann genussvoll einen kleinen Sieg.

Zwar gab es auch immer Ärger, aber den ist Seehofer ja gewohnt. Eine längere Zeit ohne Streit kommt für ihn einer Friedhofsruhe gleich, und die ist ihm unheimlich.

Jetzt will er sie wirklich

In Berlin raucht es in diesen Tagen gerade mal wieder ganz heftig. Seehofer ist dabei, das Letzte aus der Maut herauszuquetschen. Es sei nicht mehr damit getan, dass sein Verkehrsminister Peter Ramsauer mehr Geld für Straßen, Brücken und Tunnel bekomme, sagte er am Wochenende der SZ. Er wolle die Maut jetzt wirklich. Nur wenn die Pkw-Abgabe Teil des nächsten Regierungsprogramms werde, unterzeichne er einen Koalitionsvertrag. Das Problem ist nur, dass Seehofer lediglich die Ausländer zur Kasse bitten will, wenn sie deutsche Straßen benutzen. Und das geht nun einmal nicht.

Von Kritik lässt er sich jedoch nicht beirren, auch nicht von den vielen Zweifeln, wie eine solche Maut mit dem Europarecht in Einklang zu bringen sei. "Die Umsetzung ist meine kleinste Sorge", lässt Seehofer ausrichten.

Weil Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel die Maut in der Vergangenheit immer abgelehnt hat und auch die FDP die Gebühr nicht will, kann man Horst Seehofers Vorstoß vom Wochenende wohl auch eine Erpressung nennen. Dieses Wort jedenfalls macht nun in Berlin die Runde. Ebenso wie "Wahlkampfgetöse" (FDP-Generalsekretär Patrick Döring), "blanker Populismus" (ADAC), "Betrug am Wähler" (Anton Hofreiter, Verkehrsexperte der Grünen in Berlin).

Alleine gegen alle

Die CSU mal wieder allein gegen alle? Diese Rolle mag Seehofer, er sucht sie regelrecht. Wenn Wahlen anstehen - ob in Bayern oder im Bund - ist dies für die Christsozialen sowieso die einzig nur denkbare.

Aber so ganz allein ist Seehofer dieses Mal nicht. Kanzlerin Merkel jedenfalls vermied eine eindeutige Festlegung für die Zeit nach der Bundestagswahl, was die Maut angeht. "Es sind sich alle einig, und darauf verweist auch die Bundeskanzlerin, ein Schwerpunkt in der kommenden Legislaturperiode wird der Straßenbau sein", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Montag in Berlin. "Welcher Weg dann genau zum Ziel führt, das wird sich weisen."

Die Pkw-Maut ist ein Musterbeispiel dafür, wie Seehofer Politik macht. Er sucht nach Themen, die die Leute bewegen. Wenn er dabei Neidreflexe bedienen kann, umso besser. Das funktioniert beim Länderfinanzausgleich, den Seehofer reformieren will, damit die Bayern nicht mehr so viel Geld an arme Bundesländer überweisen müssen. Und es funktioniert bei der Maut. Da lautet die Frage: Warum zahlen wir und die Ausländer nicht?

Die Deutschen zahlten im Ausland schließlich auch

Die Deutschen zahlten im Ausland schließlich auch Maut, argumentiert Seehofer. Deshalb macht er gleich eine Gerechtigkeitsfrage daraus. In Bayerns Bierzelten kommt das an. Bei keinem anderen Thema bekomme er derzeit einen so großen Zuspruch wie bei diesem, berichtet Seehofer. Und wenn Berlin dagegen ist, umso besser. Aus Sicht des CSU-Chefs gibt das solchen Forderungen erst den richtigen Kick.

Ob die Maut nun geeignet ist oder nicht, die Finanzierungsprobleme auf Deutschlands Straßen zu beheben, ist nicht von höchster Bedeutung. Aus bayerischer Sicht zählt mindestens genauso: Kann sich die CSU in Berlin mit einer solchen Forderung durchsetzen?

Die CSU hat 2008 auch deshalb die Alleinregierung in Bayern verloren, weil sie in Berlin nichts mehr zu melden hatte. Was die Bundespolitik anging, hatte sie die Bedeutung eines Zwergs. Es ging schon damit los, dass der damalige Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber 2005 zauderte und nicht als Minister nach Berlin wollte. Das Tandem Günther Beckstein/Erwin Huber, das 2007 nach dem Sturz Stoibers das CSU-Erbe antrat, hatte in Berlin bis zur Wahlniederlage überhaupt keine Durchschlagskraft mehr entwickelt. Die Kanzlerin ließ die Bayern mit deren Forderung nach der Rückkehr zur alten Pendlerpauschale mitten im Wahlkampf regelrecht abtropfen.

"Wir meinen das ernst"

Seehofer stellt sich da cleverer an. Er hat keinen Streit mit Merkel gesucht, weil die Schwesterpartei die Maut nicht ins gemeinsame Wahlprogramm aufnehmen wollte. Er hat stattdessen ein Parallel-Programm geschrieben, den sogenannten Bayernplan der CSU, und darin all jene Forderungen aufgenommen, die die anderen nicht mittragen wollten. Am Wochenende erklärte er dann, der Bayernplan sei nicht bloß ein Lesebuch, das man schnell wieder zur Seite legen sollte. "Wir meinen das ernst."

Solche Manöver mögen Merkel ärgern, aber sie kann es sich auch nicht wirklich erlauben, Seehofer hängen zu lassen. Und Seehofer braucht die in der Bevölkerung so beliebte Kanzlerin für einen Erfolg bei der Landtagswahl. Auf "Gedeih und Verderb" seien sie im Wahljahr miteinander verbunden, erklärte er kürzlich, als die Kanzlerin der CSU in Bayern einen Besuch abstattete. Bei der Gelegenheit hatte er auch versprochen, nur noch "schüchtern" sein zu wollen. Diese Zeit ist seit dem Wochenende wieder vorbei. Und wer nun meint, nur weil die Maut unbeliebt und ihr Nutzen zweifelhaft sei, werde sie sicher nicht kommen, sollte sich mal anschauen, welchen Weg das Betreuungsgeld genommen hat. Manchmal geht auch etwas voran, wenn die CSU es nur heftig genug will.

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