Süddeutsche Zeitung

Pressefreiheit:Seehofer hat einfach nur dahergeredet

Der Innenminister verzögert die Entscheidung, ob er eine "taz"-Journalistin anzeigen soll. In Wahrheit gibt er zu: Seine Ankündigung hatte keinerlei Substanz. Es wird einsam um Seehofer.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Der Bundesinnenminister verzögert weiter die Entscheidung, ob er gegen eine Kolumnistin der tageszeitung Anzeige stellen soll. Er könne sich nicht jede Minute um die vielen Fragen kümmern, die in diesem Zusammenhang noch geprüft werden müssen, hat Seehofer am Mittwochabend in einer Pressekonferenz gesagt. Er habe den ganzen Tag Termine wahrnehmen müssen. Und die Anzeige sei sowohl aus der Sicht des Innenministers zu prüfen, der die Polizei zu schützen hat, aber auch aus der Sicht des Verfassungsministers, der das Grundgesetz im Auge behalten muss. Man weiß nicht, ob man über all das Zeug, das Horst Seehofer da erzählt hat, lachen soll oder nur noch den Kopf schütteln.

Denn erstens fragt man sich angesichts des angeblich so vollen Terminkalenders, was Seehofer eigentlich den ganzen Dienstag über getan hat, nachdem er zwei öffentliche Termine abgesagt hatte. Da es aber in einem Bundesinnenministerium, in dem es auch um Sicherheitsfragen geht, immer etwas Geheimes zu besprechen geben kann, mag man ihm hier noch den Vertrauenskredit gewähren, dass er seine Zeit zum Wohle des Landes nutzte.

Zweitens aber gibt Seehofer mit seinen Ausführungen über all die Prüfaufträge, die er wegen der Anzeige noch abzuarbeiten habe, nichts anderes zu, als dass seine Ankündigung am Wochenende keinerlei Substanz hatte, null. Der Satz für die Bild-Zeitung vom Sonntagabend: "Ich werde morgen als Bundesinnenminister Strafanzeige (..) stellen", dieser Satz war nicht durchdacht, nicht abgewogen, nein, dieser Satz, mit dem der Bundesinnenminister an eines der elementaren Grundrechte der Verfassung rührte, war einfach nur dahergeredet.

Es wird einsam um Horst Seehofer. Es ist nämlich in diesem Fall weniger bemerkenswert, wer dem Minister von seinem Vorhaben abgeraten hat, unter anderem wohl die Kanzlerin. Viel bezeichnender ist, dass ihm von denen, deren Rat ihm etwas bedeuten müsste, niemand wirklich zugeraten hat. Aus der Unions-Spitze ist seit Tagen zu Seehofers Anzeige nur dröhnendes Schweigen zu hören. Die Botschaft dahinter lautet in etwa: Soll er mal schauen, wie er aus der Nummer wieder rauskommt.

Horst Seehofers Einsatz für die Polizei ist ihm ernst. Daran wenigstens kann kein Zweifel bestehen. Und das Wohlergehen der Polizei sollte auch der Gesellschaft wichtig sein. Mit nichts aber schadet der Minister diesem Anliegen so sehr, wie wenn er sich selbst so verhält, dass man ihn politisch nicht mehr ernst nehmen kann.

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