Seehofer nach der Bayern-Wahl:Der CSU-Chef in seiner eigenen Welt

  • An Tag zwei nach den massiven Wahlverlusten der CSU tritt Parteichef Seehofer mit einer ihn selbst schützenden Wahlanalyse vor die Presse.
  • Als Grund für das historisch schlechte Abschneiden nennt der Bundesinnenminister "gravierende Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen".
  • Eigene Fehler führt er nicht an. Auf Nachfrage räumt nur ein, dass manches in Stil und Ton verbesserungswürdig sei.

Von Stefan Braun, Berlin

Wer ist da denn gekommen? Die Kanzlerin? Der Präsident? Der Kaiser von China? Als am Dienstagmittag in der Bundespressekonferenz der Gast Platz nimmt, wird so viel gefilmt und fotografiert, dass man für einen Moment wirklich was Besonderes vermutet. Minutenlang dauert das Schauspiel - und Horst Seehofer dürfte es besonders gefallen haben.

Mag sein, dass er politisch in schwerer See unterwegs ist. Die Aufmerksamkeit ist immer noch groß, wenn der CSU-Chef sich ankündigt. Und weil Seehofer das mag, ist er dieses Mal früher gekommen und später gegangen, als das sonst so üblich ist bei einem vielbeschäftigten Bundesinnenminister.

Am Tag zwei nach den für die CSU historischen, weil massiven Wahlverlusten ist der Parteichef freilich nicht mit großen Überraschungen, sondern mit der ihn selbst schützenden Nachwahl-Stabilisierungsanalyse angetreten.

Argument eins: Bayern habe immer noch die beste Bilanz, aber halt leider ein schlechtes Ergebnis. Argument zwei: Die Menschen im Freistaat hätten der CSU immer noch einen Gestaltungsauftrag erteilt, sie solle halt bloß nicht mehr alleine regieren. Argument drei: Die CSU leide an einer Sandwich-Position zwischen den Grünen und der AfD. Das aber führt Seehofer nicht etwa auf Fehler seiner Partei oder gar von sich selbst zurück. Stattdessen erklärt er, "dass wir es doch mit gravierenden Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen zu tun haben".

Über Personalien will Seehofer nicht reden

Doch so nachdenklich das klingt, so clever ist auch die Dramaturgie des alten Meisters. Denn an diese Einsicht schließt sich Argument vier an, und das hat es in sich: In den vergangenen Wochen, so Seehofer, habe die CSU vor allem und vorneweg für ein stabiles Bayern geworben. Aus diesem Grund müsse nach der Wahl alles getan werden, um eben diese stabilen Verhältnisse zu sichern.

Deutlicher kann man nicht erklären, dass Personaldebatten oder gar Rücktritte in diesem schweren Moment auf keinen Fall ein Thema sein dürfen. Man kann das Chuzpe nennen. Oder Überheblichkeit. Seehofer zeigt damit vor allem eines, und das unmissverständlich: dass er nicht aufgeben möchte.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er auf Nachfrage schon einräumt, manches in Stil und Tonlage sei im Rückblick durchaus verbesserungswürdig. Zum Ende seines gut einstündigen Auftritts erklärt der CSU-Politiker sogar, er habe jetzt "doch ordentliches Verhalten zugesagt". Nach dem Motto: Ich will künftig in Berlin sanfter auftreten.

Rücktritt? "Kann sein. Kann nicht sein"

Nur Minuten und ein paar selbstbewusste Sätze später freilich schaltet der gleiche Seehofer wieder auf rauflustig und erklärt lächelnd, dass "vernünftige Diskussionen als natürlicher Bestandteil einer dynamischen Demokratie" begriffen werden müssten. An der Stelle hätte er auch in die Runde fragen können, warum sich bloß immer alle gleich so aufregen.

Und Rücktritt? Ist das kein Gedanke? Nein, sagt Seehofer, Personaldebatten werde er jetzt auf keinen Fall beginnen. Er halte sich da ganz "an den vereinbarten Fahrplan". Mit Sondierungen, Koalitionsverhandlungen, der Wahl des Ministerpräsidenten. Erst danach also, irgendwann ab Mitte November, werde es nochmal eine ausführliche Analyse geben.

Erst mal über Strategie und Programmatik reden, findet Seehofer

Dabei müsse man freilich vieles durchdenken und überlegen, darunter die Schwäche der CSU in den Großstädten, die noch größeren Schwächen der Partei im Umgang mit Umwelt, Klima, Naturschutz. Und erst dann, wenn Strategie und Programmatik neu geklärt würden, könne und müsse man auch übers Personal reden.

Ob es Seehofer mit diesem Plan gelingt, sich über die Zeit zu retten, muss sich noch zeigen. Aus der CSU-Landesgruppensitzung im Bundestag hieß es am Dienstag, das Verfahren werde von einigen als Hinhaltetaktik empfunden. Konkrete Rücktrittsforderungen gegen Seehofer hat es nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa bei dem Treffen zwar nicht gegeben. Teilnehmer berichteten demnach aber, der Wunsch nach einem Rückzug des Parteichefs sei spürbar gewesen. Es habe zahlreiche Forderungen nach einem personellen Neuanfang gegeben. Zuvor hatten zwei CSU-Kreisverbände die Ablösung Seehofers gefordert. Doch der zeigt sich unbeeindruckt.

Als ein Journalist in der Pressekonferenz am Dienstag nochmal nachfragt, ob am Ende der Analyse vielleicht doch noch ein lautes Adieu des Horst Seehofer stehen könnte, antwortet der CSU-Chef variantenreich, aber immer mit der gleichen Botschaft. Erst heißt es spitzbübisch: "Kann sein. Kann nicht sein." Anschließend folgt ein: "Ich kann das heute nicht sagen."

Und so bleibt am Ende dieses Auftritts nur ein Eindruck übrig: Dass Seehofer zwar gespürt hat, wie heikel sein Verhalten im Sommer gewesen ist. Aber dass er bislang keineswegs vorhat, auf sich die gleichen Kriterien anzuwenden, wie er sie bei seinem Vorgänger Erwin Huber 2008 durchgesetzt hat: dass man nach einer deftigen Wahlniederlage auch wirklich zu gehen hat.

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