Süddeutsche Zeitung

Streit in der Union:Seehofer: "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist"

  • Horst Seehofer geht im Asylstreit erneut auf Konfrontationskurs zu Bundeskanzlerin Angela Merkel.
  • Er befinde sich in einer Situation, die für ihn "unvorstellbar" sei: "Die Person, der ich in den Sattel verholfen habe, wirft mich raus."
  • Allzu kompromissbereit wirkt Seehofer im SZ-Gespräch nicht: "Ich müsste mich verbiegen, das kann ich nicht."

Von Nico Fried, Berlin, und Wolfgang Wittl

Unmittelbar vor dem Krisengipfel zwischen CDU und CSU in der CDU-Zentrale zeigt sich Bundesinnenminister Horst Seehofer tief verletzt und kampfeslustig. "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist", sagte er am Montagnachmittag der Süddeutschen Zeitung. Damit spielt er auf die im Vergleich zur CDU deutlich besseren Wahlergebnisse der CSU in Bayern an, aber auch auf die langwierigen Koalitionsgespräche, zunächst mit FDP und Grünen und schließlich mit der SPD, die er gemeinsam mit Merkel durchgestanden habe. Er befinde sich in einer Situation, die für ihn "unvorstellbar" sei: "Die Person, der ich in den Sattel verholfen habe, wirft mich raus."

Seehofer hatte am Sonntagabend am Ende einer mehrstündigen Sitzung des CSU-Vorstands seinen Rücktritt als CSU-Chef und Innenminister angeboten. Schließlich ließ er sich überzeugen, ein letztes Gespräch mit den Spitzen der Schwesterpartei CDU zu führen und dort nach einer Lösung im Asylstreit zu suchen. Allzu kompromissbereit wirkte Seehofer im SZ-Gespräch nicht: "Ich müsste mich verbiegen, das kann ich nicht." Offen stellte er die Frage, ob er "ein Amt weiterführen" könne, "wenn die Grundlinie nicht stimmt, die man vertritt?"

Der unionsinterne Streit dreht sich um Seehofers Vorschlag aus seinem nun veröffentlichten "Masterplan Migration", wonach Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt haben, an der Grenze zurückgewiesen werden. Merkel lehnt dies ab und plädiert für eine europäische Lösung. Auf dem EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel hatte die Kanzlerin einen Kompromiss ausgehandelt, den sie öffentlich als "mehr als wirkungsgleich" mit dem Seehofer-Plänen bezeichnet hat.

Der CSU-Chef sieht dies ganz anders und sprach auf der parteiinternen Sitzung am Sonntag von "groben Schnitzern", er nannte die Brüsseler Ergebnisse "abenteuerlich". Wie unter diesen Vorzeichen ein möglicher Kompromiss aussehen soll, ist weiterhin offen. In der SZ kritisierte Seehofer erneut die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin scharf: "Wir haben uns vier Jahre durchgewürgt."

Merkel: "Der Wunsch, das zu lösen, ist groß"

Um 17 Uhr sollen sich Merkel und Seehofer in der Berliner CDU-Zentrale zum Gespräch treffen, beide bringen jeweils sieben Unterstützer mit. Für 22 Uhr ist ein Koalitionsausschuss zwischen CDU, CSU und SPD geplant, bevor sich die Bundestagsabgeordneten der Union am Dienstagmorgen um acht Uhr zu einer weiteren Sitzung treffen.

Bei der Aussprache am Montag hatten viele Teilnehmer die Spitzen der Schwesterparteien aufgefordert, zu einer Verständigung zu kommen. Die Kanzlerin wird mit den Worten "Der Wunsch, das zu lösen, ist groß" zitiert - ob Horst Seehofer dazu bereit ist, zeigt sich in den nächsten Stunden.

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SZ.de/mati/bepe
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