Süddeutsche Zeitung

Islamkonferenz:Seehofer sucht die Versöhnung mit den Muslimen

  • Innenminister Seehofer gibt sich zu Beginn der Islamkonferenz versöhnlich. Er weicht allerdings nicht von seiner Aussage ab, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre.
  • Statt zuzulassen, dass Länder wie die Türkei Imame in deutsche Moscheegemeinden entsenden, sollten ausgebildete Geistliche das Wort führen, fordert Seehofer.
  • Auch finanziell sollen die Gemeinden unabhängiger vom Ausland werden.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es soll jetzt wieder Frieden einkehren zwischen dem Minister und den Muslimen im Land, irgendwie. Ein Dialog ist erwünscht, offen und ehrlich, und es ist auch viel vom Miteinander der Kulturen die Rede. Nur - wie bewerkstelligt das einer wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der gleich am Anfang seiner Amtszeit den Islam aus Deutschland hinausdefinierte? "Muslime gehören zu Deutschland", sagt er am Mittwoch. Und dann schickt er noch in aller Freundlichkeit das eine oder andere Aber hinterher.

Ein Konferenzsaal wie eine Schulaula an der Friedrichstraße in Berlin. Etwa 200 Teilnehmer der vierten Deutschen Islamkonferenz kommen hier zu einem kniffligen Rendezvous zusammen. Im Saal sitzen Vertreter konservativer muslimischer Verbände wie die türkische Religionsanstalt Ditib, Islamkritikerinnen wie die Rechtsanwältin Seyran Ateş, Frauen mit und ohne Kopftuch, Orthodoxe, muslimische Freigeister.

Und Bundesinnenminister Horst Seehofer ist natürlich da. Er drückt viele Hände, bevor er aufs Rednerpult zusteuert - auch und gerade die Hände von Menschen, die ihm kürzlich mal gesagt haben, dass sie nicht verstehen, wo der Minister beim Thema Islam eigentlich hin will.

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland", mit diesem Satz in Bild hatte Seehofer im März seine Amtszeit begonnen - und damit den Ton gesetzt für eine ganze Serie von Konflikten, vor allem mit der Bundeskanzlerin. "Vier Millionen Muslime und auch ihre Religion gehören zu Deutschland, also auch der Islam", widersprach Angela Merkel ihrem Minister öffentlich. Was folgte, war ein Zerwürfnis, auch zwischen CDU und CSU, in dessen Folge nun Seehofer und Merkel, kurz gefasst, ihre Hüte als Parteivorsitzende nehmen werden.

Den Bundesinnenminister hat dieses Eskalation nicht gefreut, er fühlte sich missverstanden, wie so oft. Und als er bei der Deutschen Islamkonferenz in Berlin aufs Podium tritt, da ist ihm anzumerken, wie sehr er sich nach Zuspruch sehnt, nach so etwas wie Versöhnung mit Deutschlands Muslimen. Im Sommer, so erzählt der Minister bedächtig, sei er beim Tag der offenen Tür in seinem Ministerium einer muslimischen Familie begegnet: "Eine Familie, die in den ersten Minuten ganz verschreckt auf mich reagiert hat." Seehofer sei doch der Meinung, dass Muslime in Deutschland nicht dazugehörten, hätten die Leute zu ihm gesagt. Er habe dann erlebt, wie schwer es in Deutschland sei, "zu unterscheiden zwischen der Historie und der kulturellem Prägung über viele Jahrhunderte hinweg und über unsere gemeinsame Gegenwart".

Der Islam gehört nicht zur historisch gewachsenen Kultur Deutschlands, geschichtlich gesehen, so will Seehofer seinen Satz des Anstoßes verstanden wissen. Er habe der Familie im Innenministerium also gesagt, was er nie anders gemeint habe: "Muslime gehören zu Deutschland. Muslime haben selbstverständlich die gleichen Rechte und Pflichten wie alle Bürger dieses Landes." Und daran, schiebt er hinterher, "kann es wohl keinen vernünftigen Zweifel geben". Die Familie sei erleichtert abgezogen, meint Seehofer. "Deshalb ist es gut, wenn wir in ein vernünftiges Gespräch kommen."

Es kommt kein Jubel auf im Saal, und der Innenminister nimmt genau genommen nichts von dem zurück, was er damals gesagt hat. Aber es ist unüberhörbar, dass er sich einen Befreiungsschlag wünscht, jetzt wo der Wahlkampf in Bayern vorüber ist, in dem sich die scharfen Töne der CSU nicht ausgezahlt haben. Und als Seehofer später mit deutschen Muslimen diskutiert, da werden auch seine Gesprächspartner Milde walten lassen.

Gegen die Abhängigkeit der Gemeinden vom Ausland

Ein bisschen liebgehabt werden aber ist nicht das einzige Ziel, das Seehofer bei der Islamkonferenz verfolgt. Das Forum, das 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gegründet wurde, soll den Dialog zwischen dem Staat und Deutschlands Muslimen öffnen. Anders als sein Vorgänger Thomas des Maizière aber will Seehofer neben den überwiegend konservativen Islamverbänden wie der türkischen Religionsanstalt Ditib auch einzelne Akteure stärker zu Wort kommen lassen, bevorzugt die eher säkularen und liberalen Köpfe oder Islamkritiker wie den Psychologen Ahmad Mansour.

Aber auch gegen die Abhängigkeit vieler deutscher Moscheegemeinden von Regierungen wie in der Türkei will Seehofer vorgehen - ein schwieriges Unterfangen, denn in religiöse Angelegenheiten hat sich der Staat nicht einzumischen. "Wir als deutsche Regierung und als Bundesinnenministerium verstehen uns bei diesem Dialog nicht als Vormund", betont der Minister. "Wir verstehen uns als Brückenbauer." Muslimische Verbände und Gemeinden in Deutschland sollen unabhängiger von politischem Einfluss aus dem Ausland werden, fordert Seehofer. Statt zuzulassen, dass ausländische Regierungen Imame in deutsche Moscheegemeinden entsenden, sollten hierzulande ausgebildete Geistliche das Wort führen. Ohne Unterstützung aus den Gemeinden selbst allerdings ist das unrealistisch, das weiß auch der Minister. Mehr Geld oder zusätzliche Lehrstühle für islamische Theologie in Deutschland sind in dieser Legislaturperiode dennoch nicht vorgesehen.

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