Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingspolitik:Wer vor Abschiebungen warnt, muss nicht ins Gefängnis

  • Innenminister Horst Seehofer rückt von seinem Vorhaben ab, Menschen, die Betroffene vor bevorstehenden Abschiebungen warnen, mit Haftstrafen zu belangen.
  • Dafür sollen die Regeln für abgelehnte Asylbewerber mit Duldung verschärft werden: Wenn sie bestimmte Mitwirkungspflichten nicht erfüllen, droht ihnen Haft.
  • Wo Abschiebehaftplätze fehlen, sollen die Betroffenen in Strafanstalten bleiben, vorübergehend und in Extraräumen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Das Vorhaben versetzte Flüchtlingsräte und Helfer im Kirchenasyl in Aufruhr. Auch aus der SPD kam Protest. Wer Geflüchtete vor einer bevorstehenden Abschiebung warnt oder diese verhindert, dem sollten in Zukunft bis zu drei Jahre Haft drohen. Auch das Verbreiten von Abschiebeterminen sollte strafbar werden. Theoretisch hätte das auch Medien treffen können. Nun aber ist Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) von diesem Plan fürs Geordnete-Rückkehr-Gesetz abgerückt, nach Verhandlung mit Justizministerin Katarina Barley und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD).

"Wir wollen durch die Strafbarkeit keine Nicht-Regierungs-Organisationen treffen und auch keine Journalisten", sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. "Wir konzentrieren uns auf die Quelle der Information, und das ist der Amtsträger. Wer Dienstgeheimnisse verrät, soll dafür bestraft werden." Immer wieder scheitern Abschiebungen daran, dass die Betreffenden nicht anzutreffen sind. Manchmal warnen Anwälte oder Flüchtlingsräte sie, um ihnen eine letzte Intervention bei Gericht zu ermöglichen. Dies wollte Seehofer unterbinden. Im neuen Entwurf des Geordnete-Rückkehr-Gesetzes, der der SZ vorliegt, heißt es nun, "Amtsträger" dürften keine Abschiebetermine weitergeben. Aber auch, wer nicht im öffentlichen Dienst arbeitet, soll "wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Haupttat" strafrechtlich verfolgt werden können. Dieser Wunsch aus dem Innenministerium ist allerdings noch strittig. "Menschen, die Geflüchtete unterstützen, sind keine Kriminellen", sagte Justizministerin Barley. Von drohenden Freiheitsstrafen ist im Entwurf nicht mehr die Rede.

Über Wochen verhandelten Seehofer, Barley und Heil über drei Migrationsgesetze, die sich verhakt hatten. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll Nicht-EU-Bürgern den deutschen Arbeitsmarkt öffnen. Ein weiteres Gesetz soll Geduldeten mit sozialversicherungspflichtigem Job den dauerhaften Aufenthalt ermöglichen. Das Geordnete-Rückkehr-Gesetz soll sichern, dass vollziehbar ausreisepflichtige Migranten auch tatsächlich das Land verlassen.

Weil die Union das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht berät, bevor das Abschiebegesetz im Kabinett ist, drücken Seehofer, Barley und Heil aufs Tempo. "Ich glaube, dass wir einen ganz vernünftigen Interessensausgleich gefunden haben", sagte Seehofer. Statt der "Duldung light" soll eine "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" kommen. Abgelehnte Asylbewerber, deren Personalien nach drei Monaten noch unklar sind, sollen bestimmte Mitwirkungspflichten erfüllen, etwa Passersatzpapiere bei der Botschaft beantragen und der freiwilligen Ausreise zustimmen. Tun sie das nicht, droht ein Bußgeld oder gar Haft. Strittig soll noch ein längerer Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen sein. Größtes Zugeständnis der SPD: Abschiebehäftlinge sollen künftig auch in Strafanstalten untergebracht werden, vorübergehend und in Extraräumen. Das gilt bisher als rechtswidrig. "Eine klare räumliche Trennung von Strafgefangenen und Abzuschiebenden muss unter allen Umständen gewährleistet sein", sagte Barley. Die Bundesländer müssten "endlich" ausreichend Abschiebehaftplätze bereitstellen. "Wenn wir eine Notlage haben, und die haben wir, können wir beim Trennungsgebot eine Ausnahme machen", sagte Seehofer. Das Gesetz soll am Mittwoch ins Kabinett. Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, Maria Wersig, kritisierte den Zeitdruck. "Hier wird erneut ein sehr restriktiver Gesetzentwurf mit unzumutbaren Fristen in eine Verbändeanhörung gegeben", sagte sie. Zwei Tage für die Beurteilung seien zu kurz.

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SZ vom 12.04.2019/eca
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