Süddeutsche Zeitung

Innenministerium:Seehofers neue Staatssekretärin taugt nicht zur Quotenfrau

Weil er nur Männer um sich scharte, erntete der Innenminister zu Beginn seiner Amtszeit viel Spott. Anne Katrin Bohle könnte da helfen - sie gilt als zielstrebig, verlässlich. Und unbequem.

Von Constanze von Bullion

Unter Kollegen gilt sie nicht unbedingt als pflegeleicht, dafür aber als entschlossen und durchsetzungsstark. Das könnte sich noch als Vorteil erweisen in dem neuen Amt, das Anne Katrin Bohle kommenden Montag antreten soll. Die Juristin wird Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, am Mittwoch hat das Kabinett dem Personalvorschlag zugestimmt.

Bohle soll für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung zuständig werden, wenn man so will aber auch für eine zeitgemäße Außenwirkung des Hauses. Denn seit Bundesinnenminister Horst Seehofer vor einem Jahr für ein Foto unbekümmert mit acht männlichen Staatssekretären posierte, gilt sein Haus als ausgemachter Männerladen. Das sorgte für Spott, dem Anne Katrin Bohle nun den Garaus machen soll.

Zur Quotenfrau, womöglich zur gefälligen Staffage, taugt die 58-Jährige allerdings schon vom Typ her nicht. Wer sich mit Menschen unterhält, die Bohle auf ihrem Berufsweg begleitet haben, hört Begriffe wie "zielstrebig", "extrem verlässlich", "unbequem", immer wieder auch das neudeutsche Wort "tough". Klare Kante, schneller Schritt, ebensolches Arbeitstempo - so und so ähnlich nahmen Kollegen Bohle im nordrhein-westfälischen Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung wahr. Dort war sie bis zuletzt Abteilungsleiterin für Stadtentwicklung und Denkmalpflege, kümmerte sich um Städtebauförderung, Dorferneuerung oder Brutalismus, also die Frage, ob Betonbauten der Nachkriegsjahre erhaltenswert sind oder nicht.

Wer von Bohle gern erfahren würde, wohin ihre Reise politisch geht, beißt zunächst auf Granit. Sie ist parteilos - und will über ihre Pläne fürs Bundesinnenministerium öffentlich nicht sprechen, bevor sie den Posten angetreten hat. Das könnte, so lässt sie ausrichten, der künftigen Tätigkeit schaden.

Bohle versteht es, den Mund zu halten, und gilt im Rheinland nicht eben als humoristisches Feuerwerk. Das dürfte auch ihrer westfälischen Natur zuzuschreiben sein. Sie stammt aus der Bergarbeiterstadt Recklinghausen, die Eltern waren beide Ärzte. Ein bürgerliches Zuhause war das in einer Region, die in Bohles Kindheit noch das Selbstbewusstsein prosperierender Ruhrgebietsstädte ausstrahlte. Hier malochten Kumpels aller möglichen Nationalitäten den Wohlstand der Bundesrepublik herbei. Zu Sozialromantik allerdings neigte man im Hause Bohle wohl eher wenig. Alle drei Geschwister von Anne Katrin Bohle studierten Medizin. Sie selbst entschied sich für Jura, ging eigene Wege, passte offenbar nie so recht hinein in das Lebensbild, das man ihr zugedacht hatte.

Diese eigenwillige Kantigkeit gehört bis heute zu Bohles Markenzeichen. Über Privates, so erzählen Kollegen, schweige sie in der Arbeitswelt konsequent, schleppe dafür Berufliches in Aktenordnern heim. "Sie ist fleißig, ungeheuer loyal, intelligent und hat eine erstklassige Sozialkompetenz", schwärmt der CDU-Politiker Oliver Wittke, einst Bürgermeister von Gelsenkirchen, heute parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Er holte Bohle 2005 von der Bundesagentur für Arbeit ins NRW-Bauministerium, "ich glaube, wir haben es beide nicht bereut". Andere berichten, Bohle könne schwierig werden, unduldsam, gelte bei Männer gern mal als streng oder trickse, um Ziele zu erreichen.

Die schlechtesten Voraussetzungen sind das vielleicht nicht für den Job in Berlin, der ohnehin keine Lebensversicherung ist. Das hat schon Bohles Vorgänger Gunther Adler erfahren dürfen. Vergangenes Jahr sollte der Sozialdemokrat plötzlich seinen Posten räumen, weil Seehofer dringend eine neue Verwendung für den angeschlagenen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen suchte. Adler durfte dann doch bleiben. Er hat es jetzt vorgezogen, zur Autobahngesellschaft zu wechseln und seiner Nachfolgerin den Weg frei zu machen.

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SZ vom 21.03.2019/ghe
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