Migrationspolitik:Seehofers hoch kontroverser Plan

Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber

Weil viele Abschiebungen scheitern, will Innenminister Horst Seehofer nun Maßnahmen ergreifen, damit es mehr erfolgreiche Rückführungen gibt, wie diese am Flughafen Leipzig.

(Foto: Sebastian Willnow/dpa)
  • An diesem Mittwoch sollen vier Gesetzentwürfe zu Asyl, Abschiebung und Integration im Kabinett verabschiedet werden.
  • Der Plan: Erwünschte Migranten sollen schneller integriert werden, unerwünschte hingegen sollen abgeschoben werden, so schnell wie möglich.
  • Nahezu alle Justizminister der Länder verwahrten sich gegen das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz, das zwischen Union und SPD bis zuletzt umkämpft war.

Von Constanze von Bullion, Thomas Hahn und Jana Stegemann, Berlin

Es ist eine Hauruck-Aktion, und sie stößt nicht bei allen Beteiligten auf Begeisterung. Vier Gesetzentwürfe zu Asyl, Abschiebung und Integration sollten an diesem Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden, je zwei aus dem Bundesinnenministerium und dem Bundesarbeitsministerium. Die Vorhaben sind teilweise hoch kontrovers, und ihr gemeinsamer Nenner ließe sich bestenfalls mit dem Satz zusammenfassen: Erwünschte Migranten sollen schneller integriert werden, unerwünschte hingegen sollen abgeschoben werden, so schnell wie möglich.

Mit dem "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" beispielsweise, das zwischen Union und SPD bis zuletzt umkämpft war, will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Asylbewerber beschleunigen. 2018 wurden 26 000 Menschen abgeschoben, 31 000 Versuche der Rückführung aber sind gescheitert. Mal lag das an fehlenden Pässen oder Passersatzpapieren, mal daran, dass es Seehofer immer noch nicht gelungen ist, Rücknahmeabkommen mit Herkunftsländern voranzubringen, die sich bislang weigern, ihre Bürger zurückzunehmen. Immer wieder tauchen Abzuschiebende auch einfach ab. Seehofer will das ändern.

Im sogenannten Geordnete-Rückkehr-Gesetz soll nun unterschieden werden zwischen Asylbewerbern, die dazu beitragen, dass ihre Identität unklar bleibt - und Menschen, die daran nicht schuld sind. Wer nicht mitwirkt an der Identitätsfeststellung, dem droht Bußgeld oder Abschiebehaft. Und wo in Ländern Abschiebehaftplätze fehlen, sollen vorübergehend gewöhnliche Justizvollzugsanstalten Abschiebehäftlinge aufnehmen, wenn auch in abgetrennten Räumen.

Was Horst Seehofer (CSU) vorhat, missfällt manchem CDU-Justizminister

Nahezu alle Justizminister der Länder, auch solche mit Parteibuch der CDU, verwahrten sich gegen diese Vorhaben. Denn sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof hatten die gemeinsame Unterbringung als rechtswidrig bezeichnet. "Ich bin nicht dafür, ausreisepflichtige Personen gemeinsam mit Straftätern unterzubringen. Den einen wird in der Regel lediglich vorgeworfen, das Land nicht verlassen zu haben. Die anderen wurden von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder befinden sich in Untersuchungshaft", sagte Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU). Auch sei eine getrennte Unterbringung im Haftalltag einer normalen Justizvollzugsanstalt "kaum zu realisieren". So dürften Abschiebehäftlinge beispielsweise Handys benutzen, Straftäter nicht. Auch sonst gebe es im Haftalltag zahlreiche Unterschiede.

Im Übrigen, so ließ die niedersächsische Justizministerin noch wissen, fehle es in ihrem Bundesland gar nicht an Abschiebehaftplätzen: "Wir stellen vielmehr in erheblichem Maße anderen Bundesländern Haftplätze zur Verfügung." Auch Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) machte deutlich, wie wenig er von Seehofers Vorschlag hält. Im Justizvollzug fehlten rund 900 Plätze. "Bei dieser Überbelegung ist es dem Justizvollzug beim besten Willen nicht möglich, auch noch Abschiebehäftlinge aufzunehmen", sagte er. Man sei sich aber einig, dass Abschiebungen nicht an fehlenden Abschiebehaftplätzen scheitern dürften.

Gefängnisse sind seit Jahren überbelegt

Kritische Töne zu Seehofers Entwurf kamen auch aus Nordrhein-Westfalen. "Die praktische Umsetzung des Gesetzes können wir in NRW gar nicht garantieren", sagte Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Die Auslastung der Gefängnisse sei prozentual viel höher als in anderen Bundesländern, so Biesenbach. Bei einer Belegungsquote von mehr als 97 Prozent sind die Gefängnisse seit Jahren überbelegt. Ursprünglich hatte auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) Einwände gegen die gemeinsame Unterbringung von Straftätern und Abschiebehäftlingen angemeldet, dann aber doch zugestimmt.

Der zweite Gesetzentwurf aus dem Hause Seehofer betrifft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die Behörde soll mehr Zeit für die Überprüfung von Anträgen bekommen. Genauer hingesehen werden soll bei den Schutzgründen für knapp 700 000 Flüchtlinge, denen zwischen 2015 und 2017 ein voller Schutzstatus zuerkannt wurde. Diese Anerkennung muss nach drei Jahren überprüft werden. Hier war es im Bundesamt zu einem Stau gekommen. Die Frist soll von drei auf bis zu fünf Jahre verlängert werden, vorübergehend.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollte am Mittwoch einen Entwurf für eine Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes vorlegen. Demnach sollen Geldleistungen für Asylbewerber geringfügig angehoben werden, weil die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Alleinstehende oder Alleinerziehende sollen künftig statt 135 Euro pro Monat 150 Euro erhalten. In einem weiteren Gesetz will Heil den Zugang zu Sprachkursen und Berufsausbildungsförderung auch für solche Flüchtlinge öffnen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus in Deutschland haben. Auch Bürger anderer EU-Staaten sollen Berufsförderung bekommen.

Das Vorhaben sei "ein wichtiger und richtiger Schritt", sagte die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, Annette Widmann-Mauz (CDU) der Süddeutschen Zeitung. Allerdings dürfe die Regierung nicht die vielen Geduldeten aus dem Blick verlieren, die schon länger in Deutschland leben: "Auch sie brauchen Zugang zu Integrationskursen, in denen die Sprache und unsere grundlegenden Werte vermittelt werden." Vergessen werden dürften auch Mütter kleiner Kinder nicht, die als Geduldete im Land lebten, weil ihr Verfahren noch läuft. "Sie werden zumeist nicht als arbeitsmarktnah eingestuft und fallen damit durch das Raster", kritisierte Widmann-Mauz. Dabei seien die Frauen wesentlich für "den Integrationserfolg auch der nächsten Generation."

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