Süddeutsche Zeitung

Terrorismus:Seehofer rechtfertigt Abschiebung von angeblichem Amri-Helfer

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Bundesinnenminister Horst Seehofer verteidigt die Abschiebung des angeblichen Helfers von Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri. Bilel Ben A. wurde wenige Wochen nach dem Anschlag im Dezember 2016 nach Tunesien ausgeflogen. Er sei als Gefährder eingestuft worden und vollziehbar ausreisepflichtig gewesen, sagte Seehofer bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Die Ermittlungen zu dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt hätten keine Nachweise dafür erbracht, dass Ben A. an der Tat beteiligt war. Zwei Vernehmungen des Verdächtigen hätten zudem keine Ansatzpunkte dafür ergeben, "dass er zur weiteren Aufklärung des Anschlags hätte beitragen können oder wollen", sagte Seehofer. Die Abschiebung sei im Einvernehmen mit den Strafverfolgungsbehörden erfolgt, eine weitere Inhaftierung sei "rechtlich nicht möglich" gewesen.

Auf Nachfrage räumte der Innenminister ein, dass er den Aufenthaltshort von Ben A. "momentan" nicht kenne. Er habe aber dem Untersuchungsausschuss des Bundestags mitgeteilt, dass sein Ministerium diesen "in jeder Form" unterstütze und versuchen werde, Ben A. ausfindig zu machen.

Seehofer reagierte mit seinen Rechtfertigungen auf Vorwürfe in Medienberichten. Der Focus hatte über Videoaufnahmen vom Tag des Anschlags geschrieben, die angeblich Ben A. zeigen, wie er einem Marktbesucher mit einem Kantholz auf den Kopf schlägt. Aufgrund der Qualität des Videos und der Entfernung, aus der es aufgenommen wurde, könnten keine Personen identifiziert werden, sagte Seehofer.

Er widersprach zudem der These des Focus, wonach Ben A. abgeschoben worden sein soll, weil seine Rolle als Informant des marokkanischen Geheimdienstes vertuscht werden sollte. Weder dem Verfassungsschutz noch dem Bundesnachrichtendienst noch dem Bundeskriminalamt lägen solche Erkenntnisse vor.

Kritik an Seehofer kam von den Vertretern der Oppositionsparteien im Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Irene Mihalic (Grüne) nannte die Abschiebung gegenüber der Nachrichtenagentur AFP "mindestens fahrlässig". Von einer "Blockadestrategie" des Innenministers spricht Linken-Abgeordnete Martina Renner. Der FDP-Abgeordnete Benjamin Strasser kritisierte, offensichtlich hätten die Behörden damals kein Interesse gehabt "oder haben es verschludert, das Umfeld und die Netzwerke von Anis Amri genauer zu ergründen."

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