Seehofer und die AfD:Die Macht der Worte

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Seehofer ist immer irgendwie Seehofer, egal, ob mit Bundesadler oder dem bayerischen CSU-Löwen. (Foto: REUTERS)

Das Bundesverfassungsgericht wird wohl urteilen: Ein Minister darf nicht behaupten, die AfD sei "staatszersetzend". So weit darf nur ein Parteipolitiker gehen. Aber ist diese Unterscheidung wirklich sinnvoll?

Kommentar von Wolfgang Janisch

Um es vorwegzunehmen: Aller Voraussicht nach wird die AfD auch dieses Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gewinnen, die Fragen der Richter ließen wenig Zweifel daran. Bundesinnenminister Horst Seehofer dürfte den fairen Wettbewerb zwischen den Parteien verletzt haben, als er ein Interview auf die Homepage des Ministeriums stellen ließ, in dem er die AfD als "staatszersetzend" bezeichnete. Ein Parteipolitiker darf gegen die politische Konkurrenz hart austeilen, ein Regierungsmitglied hingegen ist zu Neutralität verpflichtet. Und weil das Interview sozusagen regierungsamtlich ins Netz gestellt wurde, war es Seehofer, der Minister, der sprach, nicht der CSU-Seehofer. So könnte in einigen Monaten das Urteil aussehen - ein Urteil mit Ansage übrigens: Die einstige Ministerin Johanna Wanka hatte mit einer offiziell verbreiteten (und weitaus harmloseren) Anti-AfD-Äußerung vor zwei Jahren ebenfalls in Karlsruhe verloren.

Bis zu diesem Punkt wäre das ganz in Ordnung. Dass ein Minister Interviews, in denen er als Parteipolitiker gegen die Konkurrenz austeilt, nicht auf die amtliche Homepage stellen darf, nimmt ihm nichts von seinen politischen Möglichkeiten. Wer etwas zu sagen hat, dessen Worte finden ihren Weg in die Öffentlichkeit, dazu braucht es keine offizielle Internetseite. Klar, zwischen Minister auf der einen und Parteipolitiker auf der anderen Seite zu trennen, wirkt ein wenig künstlich und führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Minister treten ständig in ihren multiplen Rollen auf, der Bürger und die Wählerin werden gedanklich kaum unterscheiden, ob sie nun das Interview des Regierungsmitglieds oder des Parteipolitikers gelesen haben. Seehofer ist immer irgendwie Seehofer, egal, ob mit Bundesadler oder mit dem bayerischen CSU-Löwen.

Andererseits hat die AfD selbst den Blick dafür geschärft, warum es untersagt bleiben sollte, die Ressourcen eines Ministeriums in den Dienst parteipolitischer Ambitionen zu stellen. Der Bundesinnenminister könnte bald jemand aus den Reihen der AfD sein, etwa Stephan Brandner oder Gottfried Curio, raunte der juristische AfD-Vertreter im Karlsruher Sitzungssaal. Und fügte hinzu, die beiden wären beim Einsatz der Ministeriumshomepage wohl "kreativer" als Seehofer.

Die eigentliche Schwierigkeit, die das Gericht nun zu meistern hat, ist eine andere. Es darf am Ende kein Urteil stehen, das Ministern oder Ministerpräsidenten oder Kanzlern einen Maulkorb verpasst. Der Diskurs ist härter geworden, die Stimmung aufgeheizt, und immer wieder müssen Politiker auf Grenzüberschreitungen der AfD reagieren. Das bedeutet nicht, dass es für Politiker immer klug ist, die große Trommel zu rühren. Manchmal wäre es besser, sich von kalkulierten Provokationen einfach nur abzuwenden und stattdessen das zu tun, was die Menschen wirklich von Politikern erwarten: sich um die Rente kümmern oder um den Klimaschutz, solche Dinge. Aber wenn die AfD "staatszersetzend" agiert, dann muss man das sagen dürfen.

Das gilt auch und gerade für Minister, die meist auch ein Parteiamt innehaben. Denn Worte bestimmen nun mal, wie die Wirklichkeit wahrgenommen wird. Hier sollte das Gericht Klarheit herstellen, sonst wird es künftig von AfD-Klagen überhäuft. Die Macht ihres Apparats dürfen Minister nicht gegen politische Konkurrenten in Stellung bringen - die Macht der Worte aber sehr wohl.

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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