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Seebestattung für Al-Qaida-Führer:Rätsel um Bin Ladens Leiche

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Das US-Militär will Osama bin Ladens Leichnam "nach islamischer Tradition im Meer" bestattet haben. Doch im Islam sind Seebegräbnisse nicht üblich - die Regierung Obama wollte offensichtlich weder Streit um die Beisetzung noch einen Wallfahrtsort für radikale Islamisten schaffen.

Al-Qaida-Chef Osama bin Laden ist tot, doch was ist mit seinem Leichnam passiert? In US-Regierungskreisen heißt es, der Extremistenführer sei im Meer bestattet worden, nachdem ihn Spezialkräfte in Pakistan erschossen hatten. Genauere Angaben zum Ort wurden nicht gemacht.

Ein Beamter sagte Journalisten, man habe sichergestellt, dass der Umgang mit der Leiche "im Einklang mit islamischen Praktiken und islamischer Tradition" gestanden habe. Das sei "etwas, das wir sehr ernst nehmen, und deshalb wird das in einer angemessenen Weise gehandhabt". Damit widerspricht sich der Regierungsbeamte allerdings selbst. "Seebestattungen gibt es im Islam eigentlich nicht", sagt Sonja Hegasy vom Zentrum Moderner Orient in Berlin.

Den Vorschriften gemäß muss die Leiche eines Muslims möglichst innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod begraben werden - in der Erde. Ein Begräbnis auf hoher See sieht das Islamische Recht nur unter strengen Voraussetzungen und in Ausnahmefällen vor.

Vor der Bestattung sollte der tote Körper von männlichen Glaubensbrüdern gewaschen werden. Für gewöhnlich wird der Leichnam nach der Waschung in ein weißes Tuch gehüllt und im Grab - ohne Sarg - auf die rechte Körperseite gelegt. Er muss in jene Himmelsrichtung blicken, in der der muslimische Wallfahrtsort Mekka liegt. Das Grab soll so schlicht wie möglich gestaltet werden und darf zeitlich nicht befristet sein.

Ein US-Regierungsbeamter, der nicht genannt werden sollte, erklärte bin Ladens Seebestattung mit dem Hinweis, dass man wohl kaum ein Land gefunden hätte, das zur Aufnahme der sterblichen Überreste des weltweit meistgesuchten Terroristen bereit gewesen wäre. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass die US-Regierung vermeiden wollte, mit einem Begräbnis an Land einen Wallfahrtsort für Bin Ladens Anhänger zu schaffen.

"Wir wollen nicht, dass die Leute in Scharen zu seinem Schrein laufen", zitiert die Washington Post einen Regierungsbeamten. Diesem Gedanken widerspricht Islamwissenschaftlerin Hegasy: "Im konservativen wahabitischen Islam zumindest sind Gräber kein Ort, zu dem man pilgert."

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