Am Tag danach zeigt sich Sebastian Münzenmaier gut gelaunt. „Ich bin sehr zufrieden, das war der disziplinierteste Parteitag, den wir je hatten“, sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete. Tatsächlich lief der AfD-Bundesparteitag am Wochenende in Essen harmonischer ab, als viele erwartet hatten, auch in der Partei. Es gab durchaus heftigen Streit und Wortgefechte, etwa über die Kandidaten des Bundesschiedsgerichts, die unter anderem über die Ausschlüsse von Extremisten aus der AfD entscheiden oder über die außenpolitische Ausrichtung, insbesondere, wie Putin-nah man sich aufstellen will. Die Bestätigung der Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla und die Besetzung der Spitzenposten im AfD-Bundesvorstand dagegen lief ungewohnt ruhig ab. Das hat auch mit der Rolle von Münzenmaier zu tun.
Der 35-jährige AfD-Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz gilt als einer der besten Strippenzieher in der in weiten Teilen rechtsextremen Partei. In der Partei ist vom „Münzenmaier-Netzwerk“ die Rede, einer Gruppe jüngerer AfD-Politiker, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die notorischen Konflikte in der Partei zu befrieden.
Zu dem Netzwerk zählen unter anderem René Aust, René Springer und Alexander Jungbluth, alle drei haben in diesem Jahr Karrieresprünge gemacht: Aust wurde Delegationsleiter der AfD-Abgeordneten im EU-Parlament, Springer AfD-Landesvorsitzender in Brandenburg und Jungbluth am Wochenende in den AfD-Bundesvorstand gewählt, als stellvertretender Schatzmeister. Das Netzwerk wirkt offenbar bereits zum Vorteil seiner Mitglieder.
In der Partei reagiert man traditionell allergisch auf Kungelei
Münzenmaier selbst möchte nicht von einem Netzwerk sprechen, schon gar nicht von einem „Münzenmaier-Netzwerk“, das sei „Quatsch“, sagt er. In der Partei reagiert man traditionell allergisch auf mutmaßliche Kungelei, viele verstehen sich als basisdemokratisch und streitfreudig bis die Fetzen fliegen. Nach eigener Darstellung verabredeten sich die Männer am Ende des Parteitags im sächsischen Riesa vor zwei Jahren. Auf dem Treffen hatte sich ein Streit über die Außen- und Europapolitik zu tumultartigen Szenen ausgewachsen, der Parteitag wurde daraufhin abgebrochen, die AfD stand wieder einmal als chaotischer Haufen da.
Dies wollten Münzenmaier und andere durch eine vorherige Absprache der Parteiströmungen künftig verhindern. Sie sehen solche Absprachen als Teil der Professionalisierung der Partei, der diese noch stärker machen soll. Vor dem Parteitag in Essen, so erzählen es führende Funktionäre, habe es sowohl Gespräche des Netzwerks mit den Parteivorsitzenden als auch mit Landesvorsitzenden gegeben, um den Streit um Führungsposten einzuhegen.
„Jawoll, wir müssen migrationspolitisch strikt sein“, sagte Münzenmaier
Münzenmaier gehört einer neuen Generation von AfD-Politikern an, die sich rhetorisch locker und bürgerlich-seriös geben, inhaltlich aber ihr radikales Programm vorantreiben. „Jawoll, wir müssen migrationspolitisch strikt sein“, sagte Münzenmaier der Süddeutschen Zeitung. Da hat er Gemeinsamkeiten mit dem einflussreichen rechtsextremen Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke. Außenpolitisch hingegen steht Münzenmaier für weniger Russlandnähe als Höcke, auf dem Parteitag unterstützte er einen Antrag, der Putins Angriff auf die Ukraine deutlich verurteilt, was für AfD-Verhältnisse bereits als russlandkritisch anzusehen ist.
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Im Bundestag ist Münzenmaier einer der Stellvertreter der AfD-Fraktionsvorsitzenden Weidel und Chrupalla, er ist nah dran an den nun in Essen gestärkten Partei- und Fraktionschefs. In der Partei wird weiter debattiert, ob und wann es einen Generalsekretär geben soll, dazu fiel in Essen noch keine Entscheidung. Als heißer Kandidat wird immer wieder Münzenmaier genannt, was dieser mit den Worten abwehrt: „Die Personalfrage stellt sich heute nicht, es geht zunächst darum, die Stelle eines Generalsekretärs zu schaffen.“ Über eigene Ambitionen sagt Münzenmaier nichts. Wie auch? Trotz aller Netzwerke bleibt die AfD durchaus unberechenbar.