Österreich-Wahl:Es zählt die Begeisterung des Augenblicks

FILE PHOTO: Parliamentary election in Austria

"Nehmen wir dieses Ergebnis in aller Demut an": Noch hat sich Sebastian Kurz kein Wort entlocken lassen, wie es weitergehen soll, und mit wem er regieren will nach seinem Wahlsieg.

(Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Die ÖVP hat die Wahl in Österreich gewonnen, von Dienstag an werden die Parteigremien über Koalitionen debattieren - was Sebastian Kurz plant, lässt er jedoch nicht erkennen.

Von Oliver Das Gupta, Felix Haselsteiner und Peter Münch, Wien

Auf jede anständige Party folgt der Kater, und so ist es am Tag danach erstaunlich still in Wien. Die Verlierer lecken ihre Wunden oder machen sich hinter den Kulissen auf die Jagd nach den vermeintlich Schuldigen. Und die Sieger genießen und schweigen. Erst an diesem Dienstag kommen die Gremien der ÖVP und auch der Grünen zusammen, um über das Wahlresultat und dessen Folgen für mögliche Koalitionsgespräche zu debattieren. Bis dahin gilt eisern, was Sebastian Kurz seinen Anhängern in der Wahlnacht zugerufen hat: "Nehmen wir dieses Ergebnis in aller Demut an - aber genießen wir auch den heutigen Abend und feiern ordentlich."

37,1 Prozent der Stimmen, ein Plus von 5,6 und ein Abstand zur zweitplatzierten SPÖ von mehr als 15 Prozentpunkten, das ist tatsächlich ein Grund zu feiern. Im Wiener Kursalon Hübner, zwischen Palmen, Stuck und Lüstern, wird gejohlt und getanzt. Viele Ex- und In-spe-Minister haben sich unters Parteivolk gemischt, mit Wangen rot vom Wein. Vorn auf der Bühne wird im Stakkato dem Sieger gehuldigt. "Wir haben heute nicht nur Geschichte geschrieben, wir haben Zukunft geschrieben", ruft Einpeitscher Peter L. Eppinger. "Sebastian Kurz ist für uns da. Sebastian Kurz ist für Österreich da. Sebastian ist auch wieder für Europa da."

Als Kurz dann auch noch persönlich hernieder- oder auch nur vorfährt, wird er mit "Kanzler Kurz"-Sprechchören so laut empfangen, dass er sich kaum Gehör verschaffen kann. Drei sogenannte Elefantenrunden im Fernsehen hat er da schon hinter sich. Doch wieder lässt er sich kein Wort entlocken, wie es weitergehen soll. Verraten will er nur, dass er "mit allen Parteien Gespräche führen" wird. So genau will es aber hier sowieso noch keiner wissen. Es zählt die Begeisterung des Augenblicks.

Mindestens genauso triumphal wie Kurz ließ sich Grünen-Spitzenkandidat Werner Kogler feiern. Unter lauten "Werner, Werner"-Rufen und tosendem Applaus zog der 57-Jährige in das Metropoltheater im 17. Bezirk ein, dazu lief im Hintergrund "Don't stop me now" von Queen: Die Grünen bekamen am Sonntag nicht nur ihre Mandate im Nationalrat zurück, sondern rückten auch als Koalitionspartner in den Fokus.

Wie Kurz sich entschließen wird, war am Wahlabend auch den Grünen ein Rätsel

Kogler äußerte sich bei seiner ersten Rede vor den Parteifreunden nur kurz zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der ÖVP: Man wolle bereits mit den ersten Gesetzesentwürfen im Nationalrat in den kommenden Wochen die "Umkehrbereitschaft der Kurz-ÖVP" testen. Das wurde schnell zum Schlagwort des Abends bei den Grünen: Sollte sich Kurz tatsächlich entschließen, einen Gegenentwurf zum Mitte-rechts-Bündnis seiner ersten Kanzlerperiode zu wagen, wären die Grünen zu einer Zusammenarbeit bereit.

Wie Kurz sich entschließen wird, war am Wahlabend auch den Grünen ein Rätsel: Man könne ihn fast nicht einschätzen, sagte ein Mitglied des Parteivorstandes. Kogler hatte sich etwas klarer positioniert: "Es gibt aus heutiger Sicht kaum eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die ÖVP den Umkehrschritt macht", sagte er in einer Medienrunde: "Ich werde nun das persönliche Gespräch suchen, um herauszufinden, ob Verhandlungen überhaupt einen Sinn haben." Eine Rückkehr der FPÖ zur Macht hingegen wird es wohl nicht so schnell geben. Bereits in den Tagen vor der Wahlschlappe, dem Verlust von zehn Prozenpunkten, war der Frust gewachsen. Zur Wahlparty in der rustikalen Prateralm kamen deutlich weniger Anhänger als früher. An den Tischen hockten Freiheitliche beim Freibier mit langen Gesichtern und diskutierten. In dem Partystadel dudelte die John-Otti-Band ihr übliches Repertoire herunter, "Wir sind eine große Familie", ein Titel, der angesichts der Querelen um Strache eine pikante Note bekam.

Am späteren Abend erschien dann das Spitzenduo aus Parteichef Norbert Hofer und Herbert Kickl. Kurze Ansprachen, erst von Hofer, der von der Last eines schweren Rucksacks sprach, in den jeder Tag einen neuen Stein gelegt habe. Das verstanden viele als Hinweis auf Strache, aber sein Name wurde in kein Mikrofon gesprochen. Hofer habe "Übermenschliches" geschultert in den letzten Wochen, rief dann Kickl, aber nun sei genug analysiert worden, "jetzt ist Zeit zum Biertrinken". Dann stimmte die Band ihre Version des Radetzkymarsches an, das FPÖ-Duo wippte und lächelte zum Synthesizergewitter.

Der Blick vieler in der Partei richtet sich nun auf das Kommende, eine Kurz-Regierung, die ohne die FPÖ in der Ausländerpolitik nach links rücken müsste - was für die "Blauen" bedeute, dass man wieder ein Alleinstellungsmerkmal habe. Und was wird mit Strache? Der stellvertretende Vorsitzende Manfred Haimbuchner kündigte am Montagabend die Suspendierung der Mitgliedschaft des langjährigen Parteichefs an. Den Oberösterreichischen Nachrichten sagte er, der Schritt solle am Dienstagabend beschlossen werden, wenn der Parteivorstand und das Präsidium tagen. Auf Nachfrage der SZ bestätigte der FPÖ-Vize die Meldung. "An Straches Suspendierung führt kein Weg vorbei", sagte Haimbuchner: "Jeder kleine Funktionär, der etwas Dummes bei Facebook postet, wird aus der Partei ausgeschlossen. Da können wir bei wesentlich schwerwiegenderen Vorwürfen doch nicht untätig bleiben, nur weil es um einen bekannten Namen geht."

Zur SZ-Startseite
Wahlkampf in Österreich

SZ PlusWahlen in Österreich
:Das Herz schlägt rechts

Auch nach dieser Wahl wird es in Österreich eine satte Mehrheit rechts der Mitte im Parlament geben. Warum wählt Österreich rechts? Und kann sich das ändern?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: