Süddeutsche Zeitung

Kanzler Kurz bei Armin Wolf:"Ich bin ein Fan von unabhängigen Medien"

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Von Leila Al-Serori

Es sollte um die Steuerreform gehen, die am Dienstag der Öffentlichkeit präsentiert wurde, doch die jüngste Kontroverse zwischen der FPÖ und dem Österreichischen Rundfunk (ORF) schwang dann doch als eindeutiges Hintergrundrauschen mit. Schließlich war der österreichische Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Gast bei Armin Wolf in der spätabendlichen Nachrichtensendung ZiB2, also genau bei dem Journalisten, der in der ganzen Debatte die Hauptrolle spielt.

Auslöser für die Verwerfungen, die auch in Deutschland Aufsehen erregten, war ein Studiogespräch eine Woche zuvor mit dem Europa-Spitzenkandidaten der FPÖ, Harald Vilimsky. Wolf konfrontierte ihn mit dem Vergleich eines Cartoons der FPÖ-Jugend mit einer antisemitischen Zeichnung aus dem Stürmer - Vilimsky sah sich zu Unrecht diffamiert und drohte mit "Folgen". Der FPÖ-Gesandte im ORF-Stiftungsrat, Norbert Steger, empfahl dem ORF-Moderator daraufhin ein Sabbatical, andere Parteikollegen forderten gleich den Rauswurf.

Bisher äußerte sich Kanzler Kurz nicht zu den Drohungen seines Koalitionspartners gegen einen der bekanntesten Journalisten Österreichs - und auch in der ZiB2 blieb er klare Worte dazu schuldig. Stattdessen ging es wie geplant fast 15 Minuten um die Steuerreform, die den Österreichern mehrere Milliarden Entlastung bringen werde. In den letzten fünf Minuten des Gesprächs drehte Interviewer Wolf die Fragen dann doch noch auf die FPÖ. Deren Parteichef, Vizekanzler Heinz-Christian Strache, forderte am Dienstag erneut, dass die Rundfunkgebühren für den ORF gestrichen werden sollten.

Kurz ist sicher, dass die Koalition die Legislaturperiode übersteht

Ob er das auch fordere?, fragte Wolf den Kanzler daraufhin, der das verneinte. Und wie stehe er zum Begriff des "Bevölkerungsaustausches", den die rechtsextremen Identitären prägten, und den Strache in einem Zeitungsinterview am Wochenende verteidigte? "Wir sind im Wahlkampf", sagte Kurz dazu. "Wer eine Partei wählen möchte, die dieses Wort nicht verwendet und trotzdem gegen die illegale Migration vorgeht, der kann die Volkspartei wählen." Außerdem, so der österreichische Kanzler, sei das Wort faktisch falsch. Schließlich würden ja keine Europäer nach Afrika gehen, es gebe also keinen Austausch, sondern nur eine Massenmigration in eine Richtung.

Nachgefragt, ob er die FPÖ als Koalitionspartner noch tragbar finde, verwies Kurz auf die SPÖ, mit der er auch schon koaliert habe und die auch nicht einfach sei. "Wenn Sie einen Koalitionspartner haben, dann werden Sie immer etwas ablehnen können. Bei den Sozialdemokraten, dass sie den Lenin verehren."

Kurz wolle bei der FPÖ jede Verfehlung für sich beurteilen und wenn es notwendig sei, Konsequenzen fordern. Das habe er schließlich bei dem rassistischen Pamphlet gemacht, das ein FPÖ-Politiker aus Braunau verfasst habe, oder auch bei den Verbindungen der FPÖ zu den Identitären. Wenn es keine Konsequenzen gebe, dann wäre eine rote Linie überschritten. Aber noch sei er sicher, dass die Koalition die gesamte Legislaturperiode bis 2022 überstehen werde.

Die Angriffe seines Koalitionspartners auf den Mann, der in diesem Moment neben ihm saß, erwähnte Kurz nicht. Aber zumindest für die freie Presse gab es ein paar Worte: "Ich bin ein Fan von unabhängigen Medien", betonte der Kanzler gegen Ende des Gesprächs mit ORF-Moderator Wolf. Auch wenn diese nicht immer freundlich berichteten.

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