David Kato soll an diesem Nachmittag seine letzte Ruhe finden, doch daraus wird nichts. Nicht einmal der Tod scheint ihn zu schützen vor Spott und Hass. Noch wirkt alles ruhig, aber bald wird ein nervöser ugandischer Polizeichef auf diesem Platz stehen und in sein Handy rufen: "Hier herrscht Krieg. Ich brauche Verstärkung."
Jetzt, gegen Mittag, ist davon noch nichts zu spüren, es werden Trauerreden gehalten und Botschaften verlesen, die den Toten als Kämpfer für die Menschenrechte ehren. Katos Leichnam liegt in einem weißen Sarg vor dem Haus seines Zwillingsbruders; Frauen der Verwandtschaft sitzen in bunten Kleidern um ihn herum. Dreihundert Gäste sind gekommen. Auf der einen Seite stehen Aktivisten in schwarzen T-Shirts, die für die Rechte der Homosexuellen in Uganda eintreten, sie trauern um ihren Führer Cato. Hinten an der grünen Hauswand sitzen Diplomaten aus den USA und Europa, gegenüber haben Bewohner aus dem Dorf Platz genommen.
Kato wusste, dass ihm Tag und Nacht etwas zustoßen konnte, nach all dem Hass, der ihm entgegenschlug. Aber der 46-Jährige war auch ein Mann, der nicht aufzuhalten war, wenn er etwas wollte. Er hatte sich einer Aufgabe verschrieben, er kämpfte für die Anerkennung der sexuellen Minderheiten in Afrika. Und er wollte sich nicht verstecken. Dazu gehört großer Mut in einer Gesellschaft wie dieser, in der evangelikale Gruppen, muslimische Eiferer und selbsternannte Verteidiger vermeintlicher afrikanischer Werte die Stimmung gegen Homosexuelle anheizen.
"Hängt sie", titelte das Hetzblatt Rolling Stone im Oktober 2010. Die Zeitung - nicht zu verwechseln mit dem bekannten Musik-Magazin - ist keines der großen Blätter im Land. Doch seine Botschaften sind kriminell: Die Schlagzeile kündigte "100 Bilder der Top-Homos" in Uganda an, die Edition veröffentlichte Bilder und Adressen. Es war die bislang gefährlichste Kampagne gegen Schwulen und Lesben in Uganda, sie glich einer Hexenjagd. Ein Gericht hat dies inzwischen untersagt und Entschädigung für die klagenden Betroffenen angeordnet. Doch nun ist einer von ihnen, David Kato, nicht mehr am Leben.
Grußbotschaft von Barack Obama
Sein Foto war im Rolling Stone auf Seite eins. Die Polizei sagt, dass alles bei dieser Tat auf einen Raubüberfall hindeute. Demnach griff ein noch unbekannter Täter Kato in seinem Haus an und zertrümmerte ihm mit einem Hammer den Schädel; der Verwundete starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Ein Verdächtiger wurde festgenommen. Mit der Arbeit Katos als Aktivist für die Menschrechtsgruppe "Sexual Minorities Uganda" habe das alles nichts zu tun, sagt die Polizei. Julian Pepe, eine Weggefährtin Katos, ist dagegen überzeugt: "Das war kein Raub."
Die Trauerfeier an diesem Freitag dauert nun schon eineinhalb Stunden, im Dorf Namirembe wird eine Botschaft verlesen. Barack Obama hat sie geschickt, der US-Präsident. Anderswo würde das die Bewohner mit Stolz erfüllen. Hier aber murmelt ein Mann: "Obama soll sich in den Irak scheren und uns in Ruhe lassen." Während er das sagt, klingt Obamas Lob über die "große Unerschrockenheit" Katos und seinen Einsatz für Freiheit und Fairness über den Dorfplatz. Ja, sein Tod ist nicht unbemerkt geblieben in der Welt, und dass der US-Präsident des Toten gedenkt, spendet den Aktivisten zumindest etwas Trost.
Es gibt so viel Hetze gegen Schwule und Lesben in Uganda; fast überall in Afrika werden sexuelle Minderheiten verfolgt. Viele afrikanische und arabische Staaten haben homosexuelle Handlungen unter hohe Strafen gestellt. Immer wieder setzen einflussreiche Hintermänner ihre Hetzkampagnen in Gang. Sie fallen in den Macho-Gesellschaften auf fruchtbaren Boden, angeblich wollen sie die "afrikanischen Werte" bewahren - gegen die Dekadenz des Westens. Der Schwulen-Hass ist aber immer auch ein Mittel, um politische Gefolgschaft zu mobilisieren. Das macht die Bewegung so gefährlich.
Tumult bei der Beerdigung
Vergangenes Jahr versuchte eine Gruppe ugandischer Politiker mit Verbindungen zu rechten religiösen Kreisen in den USA, die schon bestehende Kriminalisierung Homosexueller zu verschärfen. Sie planten ein Anti-Homo-Gesetz, das die Todesstrafe ausweiten sollte und Spitzel-Paragrafen vorsah, wonach sich Bürger strafbar machen, wenn sie Homosexuelle nicht der Polizei melden. Druck aus dem Ausland verhinderte die Verabschiedung, aber Diplomaten und Menschenrechtsgruppen warnen, dass der Plan wieder aufleben könnte, wenn die Zeit für Hass-Prediger und ihre Helfer günstig erscheint. Wie gut tut es da den Menschenrechtlern am Sarg, die Worte des amerikanischen Präsidenten zu hören.
Doch dann ergreift Thomas Musoke das Wort; er trägt einen blauen Talar, er ist ein anglikanischer Priester. In der Welt Gottes gebe es Mann und Frau, donnert er ins Mikrofon. Sie seien für einander bestimmt. Wie also könne es sein, dass ein Mann mit einem Mann schlafe? Ein Raunen geht durch die Reihen. Die Freunde Katos blicken entsetzt auf den Priester, der sich aber nicht beirren lässt. Die Homosexuellen seien verderbt, wettert er weiter, sie sollten bereuen und zurückkehren zu Gott. Die Trauergäste aus dem Dorf pflichten dem Priester lautstark bei. Bis einer der Aktivisten dem Prediger das Mikro aus der Hand reißt. Es gibt einen Tumult.
Und wäre nicht der örtliche Polizeichef schon zur Stelle mit einigen Dutzend Kräften in Zivil, so würde jetzt aus der Beerdigung eine Massenschlägerei mit vielen Verletzten, am Ende gar Toten. Die Polizisten führen den Priester in Sicherheit, die Familie trägt den Sarg von Kato schnell hinter das Haus, um ihn dort in die Erde hinabzulassen.
"Wir sind hier sehr gespalten", sagt ein Mann auf der Straße. Wegen Kato. Und dann fügt er noch hinzu: "Die meisten Leute folgen hier den Worten des Priesters."