Schwierige Suche nach neuem Bundespräsidenten:Kandidatenkür bringt Koalition in Gefahr

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Der Tag der Suche ist noch nicht vorbei. Aber Union und FDP scheinen unrettbar verkracht. Sie bekommen es nicht hin, sich auf einen gemeinsamen Vorschlag zu einigen. Auch weil die Interessen völlig gegeneinander laufen. Für den Abend sind jetzt Gespräche mit der Opposition angesetzt. Bis dahin muss eine Lösung her - ansonsten wackelt die Koalition.

Thorsten Denkler, Berlin

Jetzt ist der Krach perfekt. Bis zur Stunde schien die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Christian Wulff entspannt zu verlaufen. Doch am Nachmittag zeichnete sich bereits ab, dass es so einfach doch nicht werden würde. Seit 13 Uhr sitzen die Koalitionsspitzen im Kanzleramt zusammen. Das Ergebnis endet im vorläufigen Debakel. Keine Einigung, Zoff an allen Enden. Sogar die Koalition scheint inzwischen in Gefahr zu sein.

Treffen im Kanzleramt: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (2.v.l.), Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: dapd)

Als klar wird, dass kein Name beide Seiten gleichermaßen befriedigt, kommen die Präsidien von Union und FDP jeweils zu Telefonschalten zusammen. Für CDU und CSU ist schnell klar: Joachim Gauck geht gar nicht. Nicht nur, weil er 2010 der Kandidat von Rot und Grün war. Sondern auch, weil er die Öffentlichkeit noch mit Positionen überraschen könnte, die nicht in die Zeit passten. Etwa Gaucks ablehnende Haltung gegenüber der Kritik an den Finanzmärkten.

Stattdessen wird von der Union etwa die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth ins Feld geführt. Oder, wenn das nicht klappt, der evangelische Bischof Wolfgang Huber. Gerne auch Klaus Töpfer.

Bis auf Gauck lehnte die FDP per Beschluss alle anderen Kandidaten ab. In der Union wird dem Koalitionspartner jetzt Blockadehaltung vorgeworfen. Manche unken, die Liberalen legten es regelrecht auf einen Bruch der Koalition an. "Wir setzen auf volles Risiko", sagte ein FDP-Regierungsmitglied der Nachrichtenagentur dpa.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erhöht derweil den Druck. Kurz nach den Präsidiumsschalten hat sie SPD und Grüne ins Kanzleramt eingeladen. Die FDP hat der Einladung wohl zähneknirschend zugestimmt. Eine längere Hängepartie will sich kein Koalitionär erlauben.

FDP will unbedingt Stärke zeigen

Huber will die FDP nicht, weil sie keinen reinen Kirchenmann im höchsten Staatsamt will. Zudem stünde Huber der SPD zu nahe. Der ehemalige Chef des UN-Umweltprogramms Klaus Töpfer fällt bei den Liberalen wegen seiner Nähe zu den Grünen durch. Vor gut einem Jahr hielt er sogar auf einem Grünen-Parteitag eine Rede.

Komplizierter wird es mit der Personalie Petra Roth. Im FDP-Präsidium gibt es durchaus Sympathien für sie. Allerdings hat Parteichef Philipp Rösler das Gremium in der Telefonschalte offenbar auf seine Linie eingeschworen. Und die lautet: FDP für Gauck. Nach Informationen der SZ ist das jedoch eine rein taktische Linie.

Für den angeschlagenen Rösler ist Gauck Teil der Verhandlungsmasse gegen den Plan Merkels, einen Konsenskandidaten zu benennen. Röslers Motivation: Er muss unbedingt Stärke demonstrieren. Seine politische Zukunft hängt ohnehin am seidenen Faden. Wenn er jetzt noch den Eindruck erweckt, er ließe sich von Merkel über den Tisch ziehen, dürften seine Tage als Parteichef schneller gezählt sein, als ihm lieb ist.

Rösler weiß, dass Merkel nicht für Gauck stimmen kann

Rösler weiß, dass Merkel nicht für Gauck votieren kann. Das wäre das endgültige Eingeständnis ihrer Fehlentscheidung, 2010 Wulff nominiert zu haben. Um auf Gauck zu verzichten, soll Merkel jetzt auf den Anspruch verzichten, einen All-Parteien-Kandidaten aufzustellen. In der Bundesversammlung hätte schwarz-gelb eine knappe Mehrheit.

Zum Verdruss der Kanzlerin laufen bereits Worte prominenter FDP-Größen über alle Kanäle, in denen sie demonstrativ positiv über Gauck sprechen: "Das ist ohne Frage ein respektabler und anzuerkennender Kandidat", sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle in einem Interview für die Sendung Bericht aus Berlin. "Ich fordere die Union auf, über ihren Schatten zu springen", sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr.

Zuvor hatte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sich schon klar für Gauck ausgesprochen. Und bei ostdeutschen Freidemokraten sind die Sympathien für den evangelischen Pastor ohnehin groß.

Mit der Einladung an SPD und Grüne steigt der Druck in den Koalitionsparteien, sich noch bis zum Abend auf einen gemeinsamen Vorschlag zu einigen. Als sehr wahrscheinlich gilt nach Informationen der SZ, dass ein völlig neuer Kandidat aus dem Hut gezaubert wird. Einer der genannten Namen: der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio.

Unklar ist, wie sich SPD und Grüne dazu verhalten würden. Meldungen jedenfalls, wonach die SPD auf Klaus Töpfer setzt statt auf Gauck, werden in Kreisen vehement dementiert.

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