Schwierige Regierungsbildung:Vor-vor-vor-Gespräche in Hessen

Landtagswahl Hessen

Vorsichtige Gesprächsaufnahme: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (links) und SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel

(Foto: dpa)

Schwarz-Rot, Schwarz-Grün oder doch Rot-Rot-Grün? Noch ist völlig offen, wie die neue hessische Regierung aussehen wird. SPD und Grüne wollen nun jeweils Gespräche mit der CDU aufnehmen. Um Sondierungsgespräche soll es sich allerdings nicht handeln, allenfalls um eine Vorform davon.

Von Jens Schneider, Frankfurt am Main

Die Annäherung, wenn es denn eine sein wird, beginnt in kleinsten Schritten. Nicht einmal von einem Sondierungsgespräch ist die Rede, das könnte vielleicht später kommen. Es wird nur ein erstes Gespräch geben zwischen den Spitzen der CDU der SPD in Hessen, als "Klärung der Voraussetzungen für mögliche Sondierungen", so beschloss es die SPD. Eine Woche nach der Landtagswahl hat sie auf ihrem Landesparteirat eine entsprechende Einladung der CDU angenommen. Man will sich diese Woche treffen.

Auch die Grünen nehmen ein Gesprächsangebot des CDU-Landesvorsitzenden Volker Bouffier an. Aber damit soll weder bei der SPD noch bei den Grünen eine Vorentscheidung verbunden sein, mit wem sie regieren wollen. Beide Parteien halten sich alle Optionen offen, wollen auch mit der FDP und der Linkspartei sprechen.

Vor einer Woche hatte die schwarz-gelbe Regierung ihre Mehrheit eingebüßt. Nun müssen insbesondere CDU und SPD über Koalitionen nachdenken, die ihre Chefs, Ministerpräsident Bouffier und Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel, vor der Wahl nahezu kategorisch ausgeschlossen hatten.

"Jede politische Kraft muss über ihren Schatten springen und bisherige Grenzziehungen überwinden", heißt es im Beschluss der SPD. Zu übereilten Klärungen gebe es keinerlei Anlass, schließlich beginne die neue Wahlperiode erst am 18. Januar 2014. "Wir wollen die Zeit klug nutzen", sagt Generalsekretär Michael Roth dazu.

Hoffnungen auf Ampel-Koalition

Was die Parteien angeht, gebe es keine Präferenz. "Jeder muss sich bewegen. Jeder muss raus aus dem Schützengraben." Allerdings sagt der Generalsekretär: "Unsere erste Präferenz ist, dass wir gern einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten hätten." Das würde mit der CDU nicht gehen, sie stellt als stärkste Fraktion einen Führungsanspruch. Im Beschluss des Parteirats heißt es, Hessens SPD sei für "niemanden Steigbügelhalter". Zugleich gebe es keine "roten Linien". Spätestens Ende Oktober soll über die Aufnahme von Verhandlungen entschieden werden.

In der SPD gibt es auch Hoffnungen, in ernsthafte Verhandlungen mit der FDP über eine Ampel-Koalition zu treten. Es gibt Versuche einer vorsichtigen Annäherung. Allerdings hat die hessische FDP bisher kategorisch eine Koalition mit der SPD oder den Grünen abgelehnt. Inhaltlich und zwischenmenschlich gibt es vor allem zwischen Grünen und FDP große Distanz. Die Grünen schließen formal Gespräche mit den Liberalen nicht aus, die sich derzeit neu sortieren, nachdem ihr Parteichef Jörg-Uwe Hahn seinen Rücktritt ankündigte.

Eine Regierung mit der Linken wollen SPD und Grüne ebenso prüfen. In einigen Parteikreisen, etwa der Frankfurter SPD, wird diese Option bevorzugt. Anders als vor fünf Jahren wird in der hessischen SPD derzeit offener über alle möglichen Wege diskutiert, ohne dass die Partei in Lager zerfällt wie 2008.

Damals war die Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti mit dem Versuch gescheitert, sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Vier Parteifreunde versagten ihr die Unterstützung. Befürworter und Gegner der Ypsilanti-Linie waren so verfeindet, dass es keine Gesprächs-Basis mehr gab. Vielmehr stimmten die Lager in Zirkeln ihre Taktik für die internen Konflikte ab. Heute gebe es diese Zirkel nicht mehr, betonen Angehörige beider Richtungen.

Ypsilanti erzeugt neue Irritationen

Allerdings zeigte sich am Wochenende auch, welch tiefe Spuren die dramatischen Ereignisse von 2008 bei Beobachtern und in der SPD hinterlassen haben. Erstmals nach fast fünf Jahren hatte sich Andrea Ypsilanti hervorgewagt und in Zeitungsinterviews offen für ein Bündnis mit der Linken gezeigt. Sie deutete dabei Kritik an der Linie von Parteichef Schäfer-Gümbel an. Bis zuletzt hatte sie sich zurückgehalten, so hielt sie im Landtag in der gesamten Legislaturperiode keine Rede.

Die frühere Parteichefin zog jetzt über einen Listenplatz wieder in den Landtag ein. Ihr Vorstoß wurde in hessischen Medien heftig kritisiert und löste parteiintern Irritation aus, aber keine größeren Debatten. Ypsilanti erklärte ihren Parteifreunden am Samstag, dass sie in den Interviews doch keinerlei Präferenz geäußert habe. Für weitere Interviews steht sie offenbar nicht zur Verfügung.

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