Nordstream 2:Manuela Schwesig und das Rätsel um die verbrannte Steuererklärung

Nordstream 2: Die Verwicklungen um Nord Stream 2, Gazprom und die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV bringen Manuela Schwesig immer mehr in Erklärungsnot.

Die Verwicklungen um Nord Stream 2, Gazprom und die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV bringen Manuela Schwesig immer mehr in Erklärungsnot.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Kurz nach dem Aus für die Ostseepipeline vernichtet eine Finanzbeamtin Unterlagen der berüchtigten Klimastiftung MV. Die Ministerpräsidentin verspricht Aufklärung. Doch warum erst jetzt?

Von Georg Ismar und Klaus Ott, Berlin

Der Fall ist so heikel, dass Manuela Schwesig das macht, was man in so einem Fall halt erst einmal machen muss. "Der Vorfall muss vollständig aufgeklärt werden", fordert Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin am Donnerstag im Deutschlandfunk. Es geht um eine verbrannte Steuererklärung im Zusammenhang mit der Ostseepipeline Nord Stream 2. Das Justizministerium ihrer Landesregierung ist durch den Leitenden Oberstaatsanwalt in Stralsund allerdings schon am 5. Mai 2022 darüber informiert worden - was die Frage aufwirft, warum Schwesig angeblich erst jetzt davon erfahren haben will.

Die SPD-Politikerin hat jahrelang für Nord Stream 2 gekämpft, bis Wladimir Putin mit seinem Handeln in der Ukraine das Aus des Projekts besiegelte. Ein Jahr später, holt Schwesigs Landesregierung ihre Vergangenheit nun ein. In dem Fall geht es um die eigens für die Fertigstellung des Milliardenprojekts gegründete Stiftung Klima- und Umweltschutz MV. Offizielles Ziel war Klimaschutzförderung, aber über den wirtschaftlichen Teil der Stiftung sollte die Pipeline trotz US-Sanktionen fertig gebaut werden.

Dazu wurde auch ein Spezialschiff namens Blue Ship gekauft. Kurz nach Kriegsbeginn kündigte Schwesig die Auflösung der Stiftung an, aber das ist bis heute nicht geschehen. Stiftungsvorstand ist weiter ihr Amtsvorgänger Erwin Sellering (SPD), der erst weichen will, wenn alle noch offenen rechtlichen Punkte geklärt seien. Einer davon ist die Frage, ob für das von dem russischen Gazprom-Konzern zur Verfügung gestellte Stiftungskapital von 20 Millionen Euro eine Schenkungsteuer hätte entrichtet werden müssen. Das ist bisher nicht abschließend geklärt. Dafür wichtig ist die Frage, was genau in den abgegebenen Steuererklärungen stand.

Die Mutter der Finanzbeamtin wusste offenbar nicht Bescheid

Genau das führt zum nun publik gewordenen Fall, der auch den zur Aufarbeitung der Klimaschutzstiftung eingesetzten Untersuchungsausschuss in Schwerin beschäftigt. Der Süddeutschen Zeitung liegen die Unterlagen dazu vor. Es geht um einen Vorgang aus dem Mai 2022. Für die Steuersachen der Stiftung zentral zuständig war das Finanzamt Ribnitz-Damgarten. Eine Finanzbeamtin hat demnach eine Original-Steuererklärung der Stiftung im Kamin ihrer Mutter verbrannt. Zunächst hatte ihr Vorgesetzter alle Mitarbeiter gebeten, schriftlich zu bestätigen, dass ihnen die besagte Steuererklärung nicht vorliege.

Auch die Frau gab die Erklärung ab, stellte dann den Unterlagen zufolge aber fest, dass sie die Steuererklärung versehentlich in einem ganz anderen Steuervorgang abgeheftet habe. Da sie ihre vorangegangene, demnach falsche Erklärung gegenüber dem Vorgesetzten habe vertuschen wollen, habe sie in Panik die Steuererklärung der Stiftung im Kamin verbrannt, angeblich ohne Wissen ihrer Mutter. Sie offenbarte dies aber später selbst ihrem Vorgesetzten, der dann Strafanzeige stellte.

Die Beschuldigte betonte, das Finanzamt habe in den Unterlagen die Auffassung vertreten, dass "eine Steuerpflichtigkeit der an die Stiftung gerichteten Schenkungen nicht bestanden habe". Von der Staatsanwaltschaft Stralsund wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verwahrungsbruch eingeleitet. Allerdings gibt es den Unterlagen zufolge wohl noch eine Kopie der Steuererklärung, beim Finanzamt Rostock. Dort seien drei Schenkungsteuererklärungen der Klimastiftung eingereicht worden. Wegen Unzuständigkeit gingen die Originale an das Finanzamt Ribnitz-Damgarten, in mindestens zwei Fällen seien aber Kopien angefertigt worden.

Die Staatsanwaltschaft Stralsund hat das Verfahren gegen die Finanzbeamtin gegen Zahlung einer Geldauflage inzwischen eingestellt. "Nach den durchgeführten Ermittlungen ist durch die Vernichtung der Original­unterlagen die Steuerprüfung letztlich nicht beeinträchtigt worden. Zudem wäre die Vernichtung der Unterlagen nicht bekannt geworden, wenn die Beschuldigte diese nicht offenbart hätte", betont Oberstaatsanwalt Marc Engelhardt.

Die Grünen sprechen von einem "politischen Erdbeben"

Der Fraktionschef der Grünen, Harald Terpe, sagt, man stehe vor einem "politischen Erdbeben", denn der ganze Fall sei der Landesregierung seit Mai 2022 bekannt. Auch bei Anfragen seiner Fraktion zu den Steuerunterlagen sei der Fall nicht erwähnt worden.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Franz-Robert Liskow, nimmt vor allem Finanzminister Heiko Geue (SPD) in den Fokus: Dass Geue versuche, das Vernichten von Steuerunterlagen als Tat einer nachrangigen Beamtin herunterzuspielen, sei "einfach nur unverschämt". Für einen solchen Vorgang müsse jemand die politische Verantwortung übernehmen. Liskow bezweifelt, dass das Ministerium auf das Finanzamt keinen Druck ausgeübt habe, die Unterlagen zu vernichten. "Wäre es wirklich so, wie Herr Geue behauptet, dann hätte die Mitarbeiterin nicht voller Panik die Unterlagen verbrannt, statt ihren Fehler einfach einzuräumen."

Dass Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) zudem nicht schon vor Monaten den Rechtsausschuss informiert habe, sei ein Beleg dafür, dass es Schwesigs Landesregierung eklatant an Aufklärungswillen mangele. "Frau Schwesig muss zu dem Vorgang vom Untersuchungsausschuss befragt werden", betont Liskow.

Er fordert zudem, dass die Stiftung endlich aufgelöst werden müsse und Sellering dem nicht mehr im Weg stehen dürfe. "Schwesig hätte Sellering schon längst abberufen können, warum sie es nicht getan hat, bleibt ihr Geheimnis." Schwesig habe offensichtlich Angst, wegen seines Wissens gegen Sellering vorzugehen. "Es ist eine Schande, dass die Stiftung ein Jahr nach Kriegsbeginn noch immer weiterarbeitet."

Zur SZ-Startseite
Prüfung von Rohren für die Nord Stream 2 im Hafen von Sassnitz-Mukran in Mecklenburg-Vorpommern. Nun fließt allerdings kein Erdgas durch die Pipeline.

SZ PlusUkraine-Krieg und Nord Stream 2
:Wie in der SPD Weltbilder zusammenbrachen

Keine deutsche Partei wurde von Putins Angriffsbefehl so erschüttert wie die SPD. Und interne Abläufe zeigen, wie unvorbereitet man auf das Aus für die Pipeline Nord Stream 2 vor genau einem Jahr war.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: