Mecklenburg-Vorpommern:Warum Schwesig mit der Linken koalieren will

Sondersitzung Landtag Mecklenburg-Vorpommern

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (links) im Schweriner Landtag.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Die beiden Parteien hätten die meisten Schnittmengen, sagt die designierte Ministerpräsidentin. Die CDU hält sie derzeit nicht für einen verlässlichen Partner.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Vielleicht hätte man diese Wende schon ahnen können an jenem Abend des 26. September, als Manuela Schwesig die Wahl gewann. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern stand bei der Feier der SPD in Schwerin, und natürlich ging es in all den Gesprächen immer auch um die Frage nach der nächsten Koalition. Eine stabile Regierung wolle sie, sagte die Siegerin, mit einem verlässlichen Partner. Auf Nachfrage klang schnell durch, dass dieser Partner nicht automatisch wieder die CDU sein muss, denn an deren Verlässlichkeit gab es zuletzt erhebliche Zweifel.

Kaum drei Wochen und einige Beratungen später ist klar, dass die Sozialdemokraten im deutschen Nordosten tatsächlich diese Groko beenden und eine andere Ära wiederbeleben wollen. 15 Jahre lang hatten sie gemeinsam mit der CDU regiert, unter Leitung der SPD. Jetzt soll die Linke mitbestimmen, wie deren Vorgänger PDS zwischen 1998 und 2006, damals im Kabinett von Harald Ringstorff. Rot-Rot also statt Rot-Schwarz? Zurück in die Zukunft?

Die Meldung sorgte zur Wochenmitte für Aufsehen, obwohl sie bei genauer Betrachtung gar nicht so überraschend kam. "Wir nehmen Koalitionsverhandlungen mit den Linken auf", gab die Regierungschefin und SPD-Landesvorsitzende Schwesig am Mittwochabend bekannt. So hatten es die führenden Köpfe von Partei und Fraktion in Güstrow einstimmig entschieden, nachdem mit CDU, Grünen und FDP sondiert worden war. Die Grundlage sei gewesen, "mit wem wir die meisten Schnittmengen haben", erläuterte Schwesig. Die SPD sehe in der Linkspartei "eine Partnerin, mit der wir unser Land gemeinsam voranbringen können. Uns geht es um einen Aufbruch 2030, mit mehr Wirtschaft, besseren Löhnen, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung."

Ein historisches Debakel für die CDU

43 Sitze hätten beide Parteien zusammen im Schweriner Schloss, dem Landtag, drei mehr als nötig. Bei den Wahlen kam Schwesigs SPD auf imposante 39,6 Prozent der Stimmen und 34 Mandate, ein Plus von neun Prozentpunkten gegenüber 2017. Die Linken verloren leicht und landeten mit 9,9 Prozent auf Platz vier hinter der AfD und der CDU, die 13,3 Prozent bekam und nur noch zwölf Abgeordnete stellt, ein historisches Debakel.

Das Ergebnis und seine Umstände sind ein Grund für den Sinneswandel von Manuela Schwesig und ihrer SPD. Die Union hatte zuletzt mehrfach ihre Führung gewechselt, nach seiner verheerenden Niederlage trat als Vorsitzender auch Michael Sack zurück, kommissarisch übernahm Eckhardt Rehberg. Schwesig weiß gar nicht so genau, wer da künftig das Sagen hat und wie konservativ der Ton wäre.

Da probiert es die SPD in Mecklenburg-Vorpommern lieber wie einst mit der Linken. Die wechselseitigen Erinnerungen sind nicht schlecht, auch wenn es die Linke in dieser Form während der letzten Zusammenarbeit noch nicht gab. Es war die PDS, die Nachfolgerin der SED, es war die erste rot-rote Regierung in Deutschland. Das Bundesland hatte seinerzeit deutlich mehr Arbeitslose als heute, doch der Haushalt wurde saniert, die Reformen griffen später. Nach acht Jahren zerfiel das Bündnis, nun steht also ein neuer Versuch bevor.

Werftenkrise, niedrige Löhne, Lehrermangel

Die anderen Parteien warnen, die Linke freut sich. Die SPD habe sich "für den Aufbruch und für einen sozialen Schwung in Mecklenburg-Vorpommern entschieden", sagt Simone Oldenburg, die Fraktionsvorsitzende. Trotz des mäßigen Wahlergebnisses bleibt die Pädagogin Oldenburg die starke Frau der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, im neuen Kabinett Schwesig wäre sie wohl deren Stellvertreterin.

Zu tun hätten SPD und Linke dann eine ganze Menge, denn das Ferienland an Ostsee und Seen erlebt zwar seit Jahren einen Boom beim Tourismus, durch die Pandemie zwischendurch abgeschwächt. Aber das dünn besiedelte Gebiet hat das eine oder andere Problem. Werftenkrise, niedrige Löhne, Lehrermangel, Funklöcher, überalterte Bevölkerung. 1000 neue Lehrerstellen soll es geben und das Wahlalter auf 16 gesenkt werden, für mehr Jobs in der Industrie wollen die beiden Parteien sorgen und öffentlich Aufträge nur an Firmen vergeben, die Tariflohn zahlen. Auch ein landesweites Rufbus-System und ein kostenloses Ticket für Senioren sind vorgesehen.

Am 26. Oktober soll der neue Landtag zusammentreten, vier Wochen danach muss laut Landesverfassung die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident gewählt sein, spätestens am 23. November. Es wird Manuela Schwesig sein, die bisherige Amtsinhaberin, nun aber voraussichtlich mit Vize Oldenburg von der Linken.

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