Schwerer Anschlag in der Türkei:PKK weist Verantwortung zurück

Einen Tag nach dem Anschlag in Istanbul ist immer noch unklar, wer die Bomben gelegt hat. Die Polizei verdächtigt die PKK - doch die bestreitet die Tat.

Die kurdische Untergrundorganisation PKK hat jede Verantwortung für den verheerenden Bombenanschlag in Istanbul zurückgewiesen. "Dies ist ein dunkles Ereignis", sagte der Leiter der politischen Sektion der PKK, Zubeyir Aydar. Es habe "keinerlei Verbindung zum Kampf der Kurden für Freiheit".

Schwerer Anschlag in der Türkei: Mindestens 17 Menschen sind bei den Explosionen in der türkischen Großstadt Istanbul getötet worden. Mehr als 150 Menschen wurden verletzt. Zahlreiche Polizei- und Rettungskräfte waren im Einsatz.

Mindestens 17 Menschen sind bei den Explosionen in der türkischen Großstadt Istanbul getötet worden. Mehr als 150 Menschen wurden verletzt. Zahlreiche Polizei- und Rettungskräfte waren im Einsatz.

(Foto: Foto: AP)

"Sie können keinerlei Verbindung mit der PKK herstellen", zitierte die mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei verbundene Nachrichtenagentur Firat den früheren Abgeordneten. Auch die Zeitung Milliyet berichtete unter Berufung auf einen Geheimdienstmitarbeiter in Ankara, dass die Untergrundorganisation keine Verantwortung für den Anschlag übernehme.

Ministerpräsident Tayyip Erdogan sagte nach Angaben eines Regierungsvertreters die wöchentliche Kabinettssitzung ab, um sich am Tatort persönlich ein Bild von der Lage zu verschaffen. Zu dem schwersten Anschlag in der Türkei seit 2003 lag bis Montag keine Selbstbezichtigung vor. In der Vergangenheit haben kurdische Separatisten, linkextremistische Gruppen und Islamisten Anschläge in Istanbul verübt.

In der türkischen Metropole waren am Sonntag bei zwei Bombenexplosionen mindestens 17 Menschen getötet und mehr als 150 verletzt worden. Sieben Verletzte schwebten in Lebensgefahr. "Das war ein Terroranschlag", sagte Istanbuls Gouverneur Muammer Güler am Sonntagabend.

Explosionen im beliebten Stadtteil

Der stellvertretende Regierungschef Hayati Yazici sagte, der zweite Sprengsatz sei in einem Müllcontainer explodiert. Yazici sprach von einem Terroranschlag, es sei jedoch unklar, welche Terrorgruppe das Attentat verübt habe.

Die Polizei vermutet offenbar nach einem Bericht des Fernsenders NTV die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hinter dem Doppelanschlag. Vor allem die Methode, erst eine Bombe zu zünden und dann eine zweite, weise auf einen Anschlag der PKK hin, berichtete NTV.

Laut Milliyet hat die Polizei nach den beiden Explosionen drei Jugendliche festgenommen. Die 16 und 17 Jahre alten Jugendlichen seien im Keller einer Wohnung in der Nähe des Explosionsorts aufgegriffen worden, schrieb die Zeitung. Die Polizei habe damit am Sonntagabend auf einen Hinweis von Anwohnern reagiert. Die drei hätten hingegen erklärt, sie hätten sich in dem Keller versteckt, weil sie nach den Explosionen Angst bekommen hätten.

Nach Angaben der Behörden gab es zwei Detonationen in einer belebten Fußgängerzone im Stadtteil Güngören auf der europäischen Seite der Stadt, wo zu dem Zeitpunkt viele Familien zum Abendessen oder zum Teetrinken waren. Zunächst sei eine laute Explosion zu hören gewesen und deshalb seien viele Menschen auf die Straße gelaufen. Dort habe es zehn Minuten später und nur 50 Meter entfernt eine zweite Explosion gegeben.

Auf Fernsehbildern waren Rettungswagen und Helfer zu sehen, die Verletzte versorgten und wegbrachten. Kinder standen unter Schock und weinten. Zahlreiche Schaufensterscheiben waren zersplittert. Die Polizei begann am Abend mit der Auswertung von Bildern von Überwachungskameras in dem Tatbereich, der abseits der üblichen Touristengegenden liegt.

Präsident Gül spricht von "grausamem Akt"

Präsident Abdullah Gül sagte, er verurteile diejenigen, die für den Bombenanschlag verantwortlich seien. Es handele sich um einen grausamen terroristischen Akt, der Männer, Frauen, Alte und Kinder gleichermaßen getroffen habe.

Die Anschläge erhöhten die wegen des möglichen Verbots der regierenden AKP-Partei schon hohen innenpolitischen Spannungen. Das Verfassungsgericht begann am Montag seine Schlussberatungen über den Verbotsantrag der Partei von Ministerpräsident Tayyip Erdogan, der mit islamistischen Tendenzen der Partei begründet ist. Das Urteil wird Anfang August erwartet.

Das Verfahren hat in den vergangenen Monaten zu tiefer Unsicherheit bei Politik und Wirtschaft geführt und das Land zutiefst gespalten. Der AKP wird vorgeworfen, gegen das Verfassungsgebot eines säkularen Staates zu verstoßen und eine Islamisierung der Türkei anzustreben. Die Staatsanwaltschaft hat neben dem Verbot der Partei beantragt, der gesamten Führungsriege der AKP fünf Jahre lang jegliche politische Tätigkeit zu untersagen. Die AKP hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Ein Verbot der AKP dürfte den langwierigen EU-Beitrittsprozess der Türkei weiter belasten.

Erklärungen von Steinmeier und de Hoop Scheffer

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erschüttert über den blutigen Terroranschlag in Istanbul. "Ich verurteile diesen blinden Akt des Terrors aufs Schärfste", sagte er in einer ersten Reaktion am Rande seines Afghanistan-Besuchs in Masar-i-Scharif. "Deutschland ist in dieser schwierigen Lage an der Seite der Türkei und seiner Menschen. Die Rechnung der Urheber dieses feigen Anschlags darf nicht aufgehen."

Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer verurteilte die Anschläge auf das Schärfste. In einer Erklärung sprach er von "abstoßenden Terroranschlägen", die auf brutale Art auf unschuldige Zivilpersonen gezielt hätten. Die Nato stehe im Kampf gegen den Terrorismus solidarisch an der Seite des türkischen Volks, erklärte de Hoop Scheffer.

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