Schwere Vorwürfe:US-Forscher wehren sich gegen Bush

Lange Zeit hatte es im Kessel nur geköchelt, jetzt brodelt es: Mehr als 60 prominente amerikanische Wissenschaftler haben ihrer Regierung schriftlich vorgeworfen, Resultate aus politischen Gründen zu manipulieren.

Von David Malakoff

Vergangene Woche hat der oberste Wissenschaftsberater des Präsidenten, John Marburger, die "beunruhigenden Missverständnisse" in dem "ernstlich fehlerhaften" Report der Kritiker zurückgewiesen. Auch der zuständige Ausschuss des Senats will sich in Kürze mit den Vorwürfen beschäftigen.

Zwei Dokumente der Wissenschaftler-Organisation Union of Concerned Scientists (UCS) fachen das Feuer an. Eines beschuldigt das Weiße Haus unter George Bush, Ergebnisse zu unterdrücken oder zu ignorieren, die den Ansichten der Administration widersprechen.

Zu den Taktiken der Bush-Leute gehöre es, die Aussagen in Berichten abzuschwächen und Gremien mit ideologischen Freunden zu besetzen, sagen die Unterzeichner. Darunter sind 20 Nobelpreisträger und zwei Wissenschaftsberater von Bushs Vorgänger Bill Clinton.

"Bei vielen Themen hat die Administration die Qualität des Beratungssystems untergraben", sagt Kurt Gottfried, führender Autor des Dokuments, emeritierter Physik-Professor von der Cornell University und UCS-Vorsitzender. Das Weiße Haus solle neue Regeln erlassen und der Kongress Gesetze verabschieden, verlangen die Unterzeichner, um die Zensur der Regierung dort auszuschließen, wo es nicht um die nationale Sicherheit gehe.

"Muster der Unterdrückung und Verzerrung wissenschaftlicher Ergebnisse"

Im zweiten Report listet die UCS 21 Fälle auf, die "ein Muster der Unterdrückung und Verzerrung wissenschaftlicher Ergebnisse durch hohe Beamte der Bush-Administration" zeigten. All diese Vorfälle sind von Science, der Süddeutschen Zeitung und anderen Medien aufgegriffen worden; darunter war die Entscheidung, Passagen über den Klimawandel aus einem Report der Umweltbehörde EPA zu streichen.

Der UCS-Report kritisiert auch die Berufung von Richard Russell zum Referenten für Technikfragen im Stab des Wissenschaftsberaters Marburger, obwohl Russell nur einen Bachelor-Abschluss in Biologie besitze. Schon in der vergangenen Woche musste Marburger bei zwei Anhörungen im Kongress zu den Vorwürfen Stellung nehmen.

Er sagte, er habe "viel Respekt" für die Forscher, die den UCS-Report unterzeichnet hätten, aber "sehr viel weniger für den Report selbst". Er sei unvollständig und könne seine weitreichenden Schlussfolgerungen nicht belegen. Der Angriff auf Russell sei zudem "persönlich und skandalös".

Zuvor schon hatte Marburger Reportern gesagt, der UCS-Report enthalte "fast schon eine Verschwörungstheorie. Man darf die Punkte aber nicht einfach verbinden." Die im EPA-Bericht gestrichenen Passagen zum Beispiel seien wenig später in einen Aktionsplan zur Klimaforschung eingeflossen, so Marburger im Kongress.

In anderen Fällen hätten die Kritiker Entwürfe offizieller Dokumente ausgewertet, die End-Fassungen aber ignoriert. Solche Erklärungen will der Bush-Berater in eine detaillierte Erwiderung aufnehmen, die in Kürze veröffentlicht werde.

Die Unterzeichner des UCS-Reports sehen indes keinen Anlass, von ihren Vorwürfen abzurücken. "Wir haben nicht von einer Verschwörung gesprochen", sagt Gottfried. Und Lewis Branscomb, Professor an der Harvard University und Leiter der amerikanischen Normungsbehörde NIST unter Richard Nixon, ergänzt: "In unserem Bericht stehen einige Sachen, die man nicht so einfach erklären kann." Beide nennen Marburgers Antwort "lahm".

Von dem für Dienstag angesetzten Senatshearing im Wissenschaftsausschuss unter dem Republikaner John McCain erwarteten die Forscher eine Verschärfung der Debatte.

Die Anhörung wurde jedoch kurzfristig vertagt. Dort sollte zwar Gottfried auftreten, aber nicht Marburger. Die Kritiker begrüßen das: "Wir haben nicht Marburger angegriffen", sagt Branscombe. "Er hat unter den Umständen sein Bestes gegeben."

Dieser Text entstammt der aktuellen Ausgabe des Wissenschafts-Magazins Science, das von der AAAS herausgegeben wird.

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