Süddeutsche Zeitung

Schweizer Armee:Frauen vorgetreten!

Als avantgardistisch in Sachen Gleichberechtigung gilt die Schweiz nicht gerade - aber vielleicht ändert sich das ja. Jetzt wird über eine Wehrpflicht nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen nachgedacht.

Von Isabel Pfaff, Bern

Die Schweiz musste sich zuletzt ja einiges anhören, was Gleichstellung betrifft. Da war zunächst der Jahrestag des Frauenwahlrechts (erst seit 50 Jahren dürfen Schweizerinnen auf Bundesebene mitbestimmen!), dann der ewige Zoff um den Vaterschaftsurlaub (kürzlich erhöht von einem Tag auf zwei Wochen!). Nimmt man die gigantischen Kitagebühren dazu, das auf einen Ernährer ausgerichtete Steuersystem und die eindrücklichen Gender-Gaps bei Löhnen und Renten, muss man feststellen: Es gibt tatsächlich bessere Länder für Frauen als die Schweiz.

Nun kommt aus unerwarteter Ecke ein neuer Anlauf: Die Schweizerische Offiziersgesellschaft, Vertretung der etwa 22 000 Offiziere des Landes, hat sich in der NZZ am Sonntag dafür ausgesprochen, die Armeepflicht auch auf Frauen auszuweiten. Diese dürfen zwar Militärdienst leisten, aber sie müssen nicht. Ihr Anteil unter den Armeeangehörigen liegt bei weniger als einem Prozent. "Es ist an der Zeit, dass beide Geschlechter im Militär dieselben Rechte und Pflichten haben", sagte Stefan Holenstein, Präsident der Offiziersgesellschaft. "Wir sind der Überzeugung, dass die Armee nicht länger auf über 50 Prozent des Potenzials unserer Gesellschaft verzichten kann."

Nun darf man annehmen, dass die Offiziere nicht aus reiner Gleichstellungsleidenschaft auf diese Idee gekommen sind. Schon seit einigen Jahren klagt die Armee über Personalmangel - und das trotz einer grundsätzlichen Dienstpflicht für alle Schweizer Männer, die, wenn sie tauglich sind, mehrere Hundert Diensttage innerhalb von rund zehn Jahren leisten müssen. Doch weil es so viele vorzeitige Abgänge aus medizinischen oder Gewissensgründen gibt, wird die Armee immer kleiner. Eine gewisse Schrumpfung ist zwar gewollt, aber nun geht es den Armeeoberen deutlich zu schnell.

Nähme man auch die Frauen in die Pflicht, würde das Personalproblem verringert. Und: Der Gleichstellung der Geschlechter käme das auch zugute - insbesondere in einem Land, das neben dem Militär auch den Katastrophenschutz und die Feuerwehr mehrheitlich über eine Dienstpflicht organisiert. Dass der Staat Männer und Frauen dabei unterschiedlich stark einbezieht, wirkt selbst in der gleichstellungspolitisch trägen Schweiz unpassend.

Doch ausgerechnet die bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern könnten dafür sorgen, dass es bei der Schieflage im Militär bleibt. Grüne und linke Politikerinnen haben sich bereits gegen eine Dienstpflicht für Frauen ausgesprochen. Sie finden es nicht fair, Frauen neue Pflichten aufzuerlegen, während Probleme wie unbezahlte Care-Arbeit oder die Lohnunterschiede nicht gelöst sind. Auch aus der rechtskonservativen SVP kommt Widerstand - allerdings aus anderen Gründen: "Wer wäre für die Kinder zu Hause da, wenn plötzlich jeder Mann und jede Frau dienstpflichtig wäre?", fragte eine SVP-Abgeordnete im Tages-Anzeiger. Fest steht: Auch das Verteidigungsministerium denkt intensiv darüber nach, ob und wie man mehr Schweizerinnen von der Armee überzeugen könnte. Die Ausweitung der Dienstpflicht ist explizit eine Möglichkeit. Allerdings ist es wie so oft in diesem Land: Bevor die Bevölkerung nicht zugestimmt hat, ändert sich gar nichts.

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