Die Schweizerinnen und Schweizer haben am Sonntag ein überraschendes Zeichen gegen den zunehmenden Autoverkehr gesetzt. Bei einer Volksabstimmung sprachen sich knapp 53 Prozent gegen den Plan der Regierung aus, drei Autobahnabschnitte in der Nähe von Bern und Genf um je zwei Spuren zu erweitern sowie in Basel, Schaffhausen und St. Gallen drei neue Tunnel zu bauen. Das in den Sechzigerjahren geplante Autobahnnetz ist zum Teil überlastet, der Verkehr auf den „Nationalstraßen“ hat sich seit 1990 mehr als verdoppelt. Der Ausbau hätte fünf Milliarden Franken kosten und gegen 2040 abgeschlossen sein sollen.
Die Verlierer sprachen von einer „Ohrfeige“, die Grünen von einer „Verkehrswende“, die jetzt beginne. Das Ergebnis ist zumindest ungewöhnlich. Normalerweise werden solche Streckenerweiterungen von der bürgerlichen Mehrheit im Parlament ohne große Kontroverse gebilligt. Diesmal aber hatten verkehrskritische Organisationen mit Unterstützung von Grünen und Sozialdemokraten ein Referendum gestartet und vor allem auf die Folgen des Verkehrs für die Klimaziele des Landes verwiesen.
Eine Initiative gegen den Eurovision Song Contest scheitert
Anfänglich waren die Ausbaubefürworter laut Umfragen in der Mehrzahl. Das änderte sich in dem Maße, wie das Thema auf immer stärkeres Interesse stieß und sich eine generelle Debatte über den Verkehr und die Mobilität der Zukunft entwickelte. Offensichtlich gelang es den Kritikern dabei, viele Menschen aus dem bürgerlichen Lager auf ihre Seite zu ziehen, etwa Bauern, die sich um den Landverlust durch den Straßenbau sorgen. Zusätzliche Stimmen lieferten Rechtskonservative, die den Zuzug von Ausländern für die verstopften Straßen verantwortlich machen.
In einigen Kantonen kam es zu Abstimmungen, die zum Teil landesweit beachtet wurden. In Basel lehnten die Bürger mit großer Mehrheit eine Initiative gegen den Eurovision Song Contest (ESC) ab, der im Mai kommenden Jahres in der Stadt stattfinden soll. Die christlich-konservative Kleinpartei EDU hatte ihre Sorge geäußert, dass es rund um die Veranstaltung zu „politischen Misstönen“ kommen könnte, ähnlich den Ausschreitungen beim ESC im schwedischen Malmö dieses Jahr. Vor allem aber störte sich die EDU daran, dass beim ESC „christliche Symbole verboten werden, aber satanische Darstellungen und Zelebrierungen erlaubt sind“.
In Uri scheiterte eine Initiative der Grünen, die sich gegen den Plan des ägyptischen Milliardärs Samih Sawiris richtete, auf einer Halbinsel im Vierwaldstättersee ein Hotel, mehrere Apartmenthäuser sowie eine Marina für 50 Boote zu bauen. Insgesamt stimmten etwa zwei Drittel der Bürger gegen das Stopp-Vorhaben, das in keiner einzigen der 19 Gemeinden des Kantons eine Mehrheit bekam. Das Bachdelta, in dem das Resort entstehen soll, liegt in einer schützenswerten Region, die im „Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler“ aufgeführt wird. Ob dies gegen Sawiris’ Vorhaben spricht, ist umstritten und wird nun durch Gutachten geklärt werden müssen.
In Zürich stimmten 57 Prozent gegen den Plan der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei, den Genderstern in amtlichen Texten der Stadt zu verbieten. Die Stadt hatte vor zwei Jahren beschlossen, das vorher verwendete Binnen-I („MitarbeiterInnen“) durch geschlechtsneutrale Formulierungen („Mitarbeitende“) oder das Sternchen zu ersetzen („Mitarbeiter*innen“).