Schweiz: Sexualmörder:Volksinitiative für Todesstrafe

Vorstoß in der Schweiz: Eine Initiative sammelt Unterschriften, damit Sexualmörder künftig hingerichtet werden können. Der Fall zeigt ein grundlegendes Problem der Schweizer direkten Demokratie auf.

Sonja Peteranderl

Eine Schweizer Bürgerinitiative kämpft für die Wiedereinführung der Todesstrafe bei Morden in Verbindung mit sexuellem Missbrauch. Seit Dienstag sammelt sie Unterschriften für den Antrag. Die Initiatoren wollen, dass rechtskräftig verurteilte Täter, die eine Person bei einem Sexualdelikt töten, hingerichtet werden können. Nur diese zwar "tragische", jedoch "logische Strafe" ermögliche es den Hinterbliebenen, das Kapitalverbrechen zu verarbeiten und bewirke einen Abschreckungseffekt, argumentieren sie auf ihrer Internetseite todes-strafe.ch. Hinter dem siebenköpfigen Initiativkomitee stehen keine Parteifunktionäre, sondern Angehörige einer jungen Frau, die im vergangenen Jahr ermordet wurde.

Schweiz stimmt für Minarett-Verbot

Die erfolgreiche Schweizer Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten wurde weltweit hart kritisiert. Die nationalkonservativen Organisatoren dagegen bedankten sich bei den Schweizern, die für das Bauverbot stimmten.

(Foto: dpa)

Wie bereits das rechtlich umstrittene Minarett-Verbot 2009 verstärkt die Forderung nach der Todesstrafe die Debatte, inwieweit die Kriterien für die Zulässigkeit wie für das Verfahren bei Volksinitiativen einer Reform bedürfen. Grundsätzlich verstößt die Todesstrafe gegen die Schweizer Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention, die von der Schweiz ratifiziert wurden. Doch bis heute werden die von Bürgern eingereichten Initiativtexte im ersten Schritt nur auf Formalia überprüft. "Eine inhaltliche Prüfung steht der Bundeskanzlei nicht zu", sagt Hansruedi Moser, Informationschef der Bundeskanzlei. Daher habe die Bundeskanzlei die am

4.August eingereichte Volksinitiative für die Todesstrafe "durchgewunken" und am Dienstag im Bundesblatt veröffentlicht. Nun haben die Initiatoren 18 Monate Zeit, um 100 000 Unterschriften zu sammeln. Erst danach erfolgt die materielle Zulässigkeitsprüfung durch das Parlament, die vor einer Volksabstimmung stattfindet. Kritiker halten dies für zu spät und fordern, dass die Prüfung und eine mögliche Ungültigkeitserklärung vorgezogen werden müssten. "Die Unterschriftensammlung löst Druck auf das Parlament aus", sagt Dr. Alain Griffel, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich.

In der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass auch rechtlich umstrittene Initiativen vom Parlament meist zur Abstimmung freigegeben werden, wenn viele Bürger unterschrieben haben. So nahmen die Schweizer beispielsweise 2004 die Initiative für eine "Lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter" an. Um die daraus resultierende Gesetzesvorlage an die Europäische Menschenrechtskonvention anzupassen, musste der Bundesrat den Vorschlag allerdings so weit auslegen, dass das 2008 verabschiedete Gesetz stark von den Vorstellungen der Initiatoren abweicht. Laut Heinz Sutter, dem Chef der Sektion Strafrecht im Bundesamt für Justiz, wird es wohl "selten oder nie" angewendet werden.

Wenig Sympathie unter Politikern

Andererseits habe die Initiative zu strengeren Überprüfungsmechanismen für rückfallgefährdete Straftäter geführt. Auch bei der von nationalkonservativen Parteien lancierten Initiative gegen den Bau von Minaretten gab es Streit, ob der Vorschlag gegen die Religionsfreiheit und die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Trotz großer Bedenken ließ das Parlament eine Abstimmung zu - und das Minarett-Verbot wurde mehrheitlich angenommen.

Laut Staatsrechtler Griffel müssen die Grenzen für Volksinitiativen dringend klarer definiert werden: "Es sollte festgelegt werden, dass Initiativen, die gegen die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Grundwerte der Verfassung verstoßen, ungültig sind." Bisher zählt nur die Verletzung von zwingendem Völkerrecht als Ungültigkeitsgrund - so wie Folter, Genozid, Sklaverei und die Abschiebung in ein Land, wo den Betroffenen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Ethnie oder politischer Gesinnung Verfolgung droht. Inwieweit das Verbot der Todesstrafe als zwingendes Völkerrecht zu betrachten ist, ist umstritten. Regierungssprecher André Simonazzi sagte, die Behörden müssten noch prüfen, ob die Todesstrafe verfassungskonform sei und im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz stehe.

Eine Wiedereinführung der Todesstrafe ist dennoch unwahrscheinlich. Die Ankündigung der Initiative war bei den meisten Politikern auf wenig Sympathie gestoßen, sodass sie spätestens vom Parlament gestoppt werden dürfte - selbst wenn mehr als 100.000 Unterschriften zusammenkommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: