Süddeutsche Zeitung

Schweiz:Kein Fangschuss für den Killerroboter

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Die UN wollen den Einsatz vollautonomer Waffensysteme regeln, ein Verbot aber lehnen wichtige Staaten ab.

Von Isabel Pfaff, Bern

Es ist ein Wettlauf mit der Technik: Seit Jahren arbeiten zahlreiche Staaten daran, Maschinen zu entwickeln, die eigenständig Menschen töten können. Noch sind solche vollautonomen Waffensysteme nirgendwo im Einsatz, aber es dürfte sich nur um eine Frage der Zeit handeln. Gleichzeitig laufen im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) Gespräche über die präventive Regulierung solcher Waffen. Am späten Freitagabend ging die jüngste Verhandlungsrunde zu diesem Thema in Genf zu Ende. Die 125 Vertragsstaaten der UN-Waffenkonvention verständigten sich dabei erstmals auf Leitlinien über den Einsatz solcher Waffentypen.

"Nach fünf Jahren schwieriger Verhandlungen haben wir heute zum ersten Mal einen breiten internationalen Konsens über rote Linien für den Einsatz autonomer Funktionen in Waffensystemen erzielt", sagte Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) zu den verabschiedeten Prinzipien, die im Lauf dieser Woche veröffentlicht werden dürften.

Die Bundesregierung will autonome Waffen langfristig ächten

Deutschland setzt sich für politische Regeln beim Einsatz vollautonomer Waffensysteme ein und nimmt damit im Staatengefüge der UN-Waffenkonvention eine Position der Mitte ein: Während sich eine Allianz von etwa 30 Staaten, darunter Österreich, Brasilien und Ägypten, für ein präventives Verbot solcher Waffen ausspricht, stellen sich Länder wie die USA, Russland, Großbritannien, Südkorea oder Israel dagegen. Sie sind finanziell und technisch in der Lage, solche Systeme zu entwickeln und tun dies nach Informationen von Experten bereits. Auch China, das sich vordergründig ebenfalls für ein Verbot einsetzt, gehört zu den Staaten, die an entsprechenden Technologien arbeiten und so versuchen, im globalen Rüstungswettlauf ganz vorn mitzumischen. Deutschland und Frankreich dagegen verfolgen einen Mittelweg: die politische Verregelung. Damit, so die Argumentation, blieben alle wichtigen Akteure mit am Tisch, und es gebe die Chance, den Einsatz von Killerrobotern zu steuern und zu kontrollieren. Langfristig will Deutschland aber eine Ächtung vollautonomer Waffen erreichen. Killerroboter dürften nie zur Realität werden, sagte Außenminister Maas.

Die nun verabschiedeten Leitlinien entsprechen der deutsch-französischen Verhandlungsstrategie. Nach Angaben des Auswärtigen Amts schreiben sie die uneingeschränkte Geltung des Völkerrechts über alle künftigen Waffensysteme fest. Auch muss die menschliche Verantwortung und Zurechenbarkeit für den Einsatz dieser Waffen gegeben sein. Die 125 Staaten einigten sich darauf, bis 2021 ein Rahmenwerk zu erarbeiten, das die verabschiedeten Richtlinien ausgestaltet und Vorgaben zu ihrer Einhaltung macht.

Rüstungsgegner kritisierten das Verhandlungsergebnis aber als unzureichend. Die Staaten hätten sich lediglich darauf verständigt, im Gespräch zu bleiben, heißt es in einer Mitteilung der Internationalen Kampagne zum Stopp von Killerrobotern. Der Verbund aus etwa 130 Nichtregierungsorganisationen setzt sich für ein vollständiges Verbot von Killerrobotern ein. Die Diplomatie bewege sich "im Schneckentempo", obwohl sich immer mehr Menschen kritisch gegenüber vollautonomen Waffensystemen zeigten. Die Kampagne verweist etwa auf UN-Generalsekretär António Guterres, der ein Verbot fordert. Im Sommer 2018 haben außerdem mehr als 2000 Forscher und Experten für künstliche Intelligenz ein Abkommen unterzeichnet, mit dem sie versprechen, sich nicht "an der Entwicklung, Herstellung, dem Handel oder dem Gebrauch von tödlichen autonomen Waffen" zu beteiligen, weil die Entscheidung zu töten niemals einer Maschine überlassen werden dürfe.

Staaten, die ein Verbot wollen, könnten sich auch dafür entscheiden, außerhalb der UN-Waffenkonvention einen entsprechenden Vertrag zu schließen. Dann gäbe es zwar ein Verbot, jedoch wären die wichtigsten Rüstungsnationen wohl nicht Teil davon. Schon die Verbotsabkommen zu Streumunition und Anti-Personen-Minen kamen so zustande.

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SZ vom 18.11.2019
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