Schweiz:EU-Bürger sind weiter willkommen

Eine Mehrheit der Schweizer will bei Freizügigkeit bleiben und erteilt der Volksinitiative der rechtskonservativen SVP eine Absage.

Von Isabel Pfaff, Bern

Die Schweizer haben sich am Sonntag gegen eine Volksinitiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ausgesprochen und damit für eine weiterhin enge Anbindung an die Europäische Union gestimmt. Die Initiative "Für eine maßvolle Zuwanderung" der rechtskonservativen SVP zielte auf den Ausstieg der Schweiz aus der Personenfreizügigkeit mit der EU, um die Zuwanderung wieder eigenständig national regeln zu können. Die Vorlage wurde jedoch deutlich mit fast 62 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.

Seit 2002 sind bilaterale Verträge zwischen Bern und Brüssel in Kraft, die neben einem weitgehenden Zugang wichtiger Schweizer Wirtschaftssektoren zum europäischen Binnenmarkt auch die Teilnahme des Landes an der Personenfreizügigkeit vorsehen. Damit können EU-Bürger in der Schweiz und Schweizer in EU-Staaten leben und arbeiten. Vollständig gilt die Freizügigkeit seit 2007. Seither hat die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz - derzeit rund 8,5 Millionen Menschen - um eine Million Menschen zugenommen, hauptsächlich durch Zuwanderung. Rund zwei Drittel der in der Schweiz lebenden Ausländer stammen aus EU-Staaten.

Die Regierung warnte vor den wirtschaftlichen Folgen einer Zuwanderungsbeschränkung

An diesem starken Zuzug stört sich die SVP, sie warnt vor steigenden Mieten, verstopften Straßen, übervollen Zügen und einer Überlastung der Sozialsysteme. Dass bei einer Aufkündigung der Freizügigkeit auch wichtige andere bilaterale Verträge mit der EU außer Kraft gesetzt werden, weil sie mit einer sogenannten Guillotine-Klausel verknüpft sind, bezweifelt die SVP. Sie argumentiert, dass die Schweiz als Handelspartnerin und Absatzmarkt viel zu bedeutend für Brüssel sei. Doch sowohl die Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten als auch die ebenfalls erforderliche Mehrheit der Kantone orientierten sich letztlich an den Argumenten der Schweizer Regierung, die vor den wirtschaftlichen Folgen eines Jas warnte.

Für die Wählerinnen und Wähler standen an diesem "Super-Abstimmungssonntag" noch vier weitere Vorlagen auf dem Zettel: der Vaterschaftsurlaub, die Erhöhung der Kinderabzüge, ein neues Jagdgesetz und der Kostenrahmen für neue Kampfflugzeuge. Mit komfortablen 60 Prozent wurde ein bezahlter zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub angenommen - ein Erfolg vor allem für die linken Kräfte im Land und eine weitere Niederlage für die SVP, die das Referendum gegen das Gesetz ergriffen hatte. Ein deutliches Nein erfuhren die erhöhten Kinderabzüge. Mehr als 63 Prozent der Abstimmenden erteilten dem neuen Gesetz eine Absage. Gegner aus dem linken Lager hatten es als "Bschiss" bezeichnet, weil es in erster Linie Besserverdiener entlaste.

Sehr knapp gingen die Voten zum Jagdgesetz und zu den Kampfflugzeugen aus. Der streng geschützte Wolf sollte mit dem revidierten Jagdgesetz leichter gejagt werden dürfen, auch bei anderen Tieren hätte der Bundesrat die Schutzvorschriften leichter lockern können. Dagegen stimmten knapp 52 Prozent des Wahlvolks. Bei der Kampfjet-Vorlage machten am Ende nur 8000 Stimmen den Unterschied. Mit 50,2 Prozent Ja-Stimmen billigten die Schweizer das für eine neue Flugzeugflotte veranschlagte Budget von sechs Milliarden Franken.

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