Süddeutsche Zeitung

Schweden:Was Einzelne bewegen

Der Alternative Nobelpreis will auch Menschen ehren, die für eine lebenswerte Zukunft kämpfen - unter den Gewinnern ist Greta Thunberg.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

In Stockholm sind am Mittwoch die Gewinner des Right Livelihood Award bekannt gegeben worden, der auch als "Alternativer Nobelpreis" bekannt ist. Ausgezeichnet wurden ein Kämpfer für die Rechte der indigenen Völker im Amazonas-Gebiet (Davi Kopenawa), eine Frauenrechtlerin aus China (Guo Jianmei), eine Menschenrechtsverteidigerin aus der Westsahara (Aminatou Haidar) und eine Klimaschutzaktivistin (Greta Thunberg). Ole von Uexküll, Direktor der Right Livelihood Foundation, nannte die vier "praktische Visionäre, deren Einsatz es Millionen von Menschen ermöglicht, ihre grundlegenden Rechte zu verteidigen und für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu kämpfen." Es ist das 40. Mal, dass der Preis verliehen wird, der es sich zur Aufgabe gesetzt hat, "mutige Menschen zu unterstützen, die globale Probleme lösen".

Die Preisverleihung findet am 4. Dezember in Stockholm statt. Zu der Veranstaltung ist in diesem Jahr erstmals auch eine breitere Öffentlichkeit eingeladen. "Wir wollen zum 40. Jubiläum noch öffentlicher werden", sagte Stiftungsdirektor Ole von Uexküll der SZ. Die Preisträger und Nominierten zeigten, "wie viel möglich ist und wie unglaublich viel ein Einzelner bewegen kann." Die Stiftung wolle Mut machen gerade in einer Zeit, da manche in Resignation verfielen. "Die Zeit ist so was von reif für politisches Engagement, und es gibt eben Einzelne, die vorangehen. Bestes Beispiel sei die von Greta Thunberg angestoßene Bewegung für den Klimaschutz.

Die Right-Livelihood-Award-Stiftung war einst von dem schwedisch-deutschen Philanthropen Jakob von Uexküll gegründet worden, dem Onkel des heutigen Stiftungsdirektors. Er war 1979 an die Nobelpreisstiftung herangetreten, um einen Nobelpreis für Umwelt einzuführen. Die Nobelstiftung lehnte ab, also rief er seinen eigenen Preis ins Leben. Der "Alternative Nobelpreis" möchte den Ausgezeichneten mit Aufmerksamkeit helfen, die zum Beispiel Thunberg nicht mehr nötig hat. Sie wird ausgezeichnet, weil "niemand erfolgreicher" war, wie es in der Begründung heißt, die Klimakrise "im Bewusstsein der Menschen zu verankern". Außerdem betreibt die Stiftung ein Schutzprogramm für bedrohte Preisträger.

Aminatou Haidar wurde ohne Anklage verschleppt, inhaftiert und gefoltert

Mit Verfolgung und Repression haben tatsächlich die drei anderen Preisträger Erfahrungen gemacht. Davi Kopenawa musste erleben, wie die Zerstörung des Regenwaldes im brasilianischen Amazonasgebiet seinem Volk Krankheit und Tod brachte. Auf der Suche nach Gold töteten Arbeiter Menschen und schleppten Krankheiten ein. Kopenawa trug durch seine Arbeit dazu bei, dass sich indigene Völker zusammentaten, um sich gegen die Wirtschaftsinteressen zu wehren, die ihre Lebensgrundlage zerstörten.

Die chinesische Juristin Guo Jianmei hat sich ihr Leben lang für die Rechte chinesischer Frauen eingesetzt. Nicht einfach in einem Land wie China, das geprägt ist von patriarchalen Machtstrukturen, und das zwar eine Vielzahl schön klingender Gesetze hat, die aber oft nur auf dem Papier stehen: China ist kein Rechtsstaat. Bekannt wurde Guo für das von ihr 1995 gegründete Beratungszentrum, das Frauen kostenlose Rechtsberatung ermöglichte und bahnbrechende Klagen auf den Weg brachte. Die Repression in China führte allerdings dazu, dass es 2016 geschlossen wurde.

Aminatou Haidar setzt sich seit mehr als drei Jahrzehnten für die Unabhängigkeit ihrer Heimat, der Westsahara, von Marokko ein. Dabei setzt sie auf gewaltfreien Widerstand. Sie hat Demonstrationen für die Rechte ihres Volkes - den Sahrauis - organisiert und Folter dokumentiert. Dabei wurde sie selbst ohne Anklage verschleppt, inhaftiert und gefoltert, saß vier Jahre lang in einem geheimen Gefängnis.

Eine Jury wählte die Preisträger in diesem Jahr unter 142 Nominierten aus. Das Preisgeld beträgt je eine Million Schwedische Kronen, umgerechnet 94 000 Euro, die Preisträger sollen das Geld für ihre Arbeit verwenden.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2019
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