Parlamentswahlen:Wie Rechtspopulisten Schweden verändern

Vor den Wahlen in Schweden

Jimmie Åkesson, 39, hat die Partei der Schwedendemokraten groß gemacht.

(Foto: picture alliance/dpa)
  • Die rechtspopulistische Partei Schwedendemokraten wird bei den Wahlen am 9. September wohl so gut abschneiden wie noch nie.
  • In Norwegen und Finnland sind Rechtspopulisten bereits Koalitionspartner, in Dänemark die Stütze der Minderheitsregierung.
  • In Schweden will trotzdem keine andere Partei mit ihnen zusammenarbeiten - doch eine der üblichen Koalitionen wird wohl nicht zustande kommen.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Kürzlich hat jemand den Elefanten einfach mal in den Raum gestellt. Kniehoch war das Tier, grau und aus Plastik stand es auf der Bühne. Drumherum standen Schwedens Spitzenpolitiker, nicht alle fühlten sich wohl bei der Sache. Sie waren der Einladung des schwedischen Vereins für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender gefolgt, zu einer von vielen Wahlkampfdebatten. Nur ein Parteichef fehlte: Der Vorsitzende der rechtspopulistischen Schwedendemokratem Jimmie Åkesson war nicht eingeladen.

Der Elefant als Platzhalter wirkte recht plump in seiner Symbolik. Aber er veranschaulichte das schwedische Dilemma ganz gut: Die Schwedendemokraten werden bei den Wahlen am 9. September so gut abschneiden wie noch nie. Jede fünfte Stimme versprechen ihnen die Umfragen. Trotzdem erklärten alle acht Parteichefs, die um den aufblasbaren Elefanten herumstanden, dass sie nicht mit den Rechtspopulisten zusammenarbeiten würden. Das Problem ist nur: Nach der Wahl kann wohl keine der üblichen Koalitionen mehr regieren, ohne von den Schwedendemokraten zumindest geduldet zu werden.

In den anderen Ländern Nordeuropa bestimmen die Rechtspopulisten längst mit

Jimmie Åkesson, 39, hat die Schwedendemokraten groß gemacht: knapp sechs Prozent vor acht Jahren, knapp 13 Prozent vor vier. Kann er noch einmal verdoppeln? Wenn jemand Grund zu Übermut hat in Schweden, dann er: "Ich sehe uns bereits als Gewinner", sagte er jüngst in einem Interview. Und fügte hinzu, dass kein Schwedendemokrat enttäuscht sein solle, wenn es doch "nur" 20 Prozent werden. Manchmal lässt er sich zu der Hoffnung hinreißen, dass seine Partei stärkste im Parlament wird. Das ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. So oder so: Schon jetzt hat Åkesson die schwedische Politik so sehr verändert wie zuletzt kaum einer.

Eigentlich werden in Schweden immer die Sozialdemokraten stärkste Kraft, so war es die vergangenen hundert Jahre. Auch jetzt regiert ein sozialdemokratischer Ministerpräsident - noch. Schweden steht damit derzeit allein: Überall sonst im Norden sind die Regierungen konservativ. Und überall sonst bestimmen die Rechtspopulisten längst mit, in Norwegen und Finnland als Koalitionspartner, in Dänemark als Stütze der Minderheitsregierung.

Markus Wiechel sitzt für die Schwedendemokraten im Parlament und kann nicht verstehen, warum sich die anderen Parteien so sträuben. Hinter verschlossenen Türen rede man schon längst, sagt er. Wiechel war früher Sprecher der Partei für Einwanderungspolitik, jetzt für Außenpolitik. Er sagt: "Die anderen Parteien haben uns kopiert", haben die Asylpolitik verschärft, plötzlich Grenzkontrollen eingeführt. Diesen Politikwandel habe das Land den Schwedendemokraten zu verdanken - und natürlich irgendwie auch der Realität.

Letzteres trifft wohl eher zu. Bevor die rot-grüne Regierung Ende 2015 die Regeln änderte, waren in dem Jahr mehr als 160 000 Flüchtende ins Land gekommen, in dem damals knapp zehn Millionen Menschen lebten. Behörden und Kommunen waren überfordert. "Wir wollen überhaupt keine Asylbewerber mehr aufnehmen", sagt Wiechel nun. Seine Partei werde nur eine Regierung stützen, die sich verpflichtet, die Einwanderungsrate zu senken.

Was ist schwedisch und was nicht?

Das hört sich kaum anders an als bei den Rechtspopulisten in den Nachbarländern, doch es gibt Unterschiede: Norwegens Fortschrittspartei und die Dänische Volkspartei sind aus Protestbewegungen entstanden. In Schweden begann es in den Achtzigerjahren mit einer rechtsextremen Clique, auch Nazis waren unter den ersten Schwedendemokraten. Åkesson hat dann kräftig aufgeräumt in der Partei. Er hat allerdings selbst bereits vor Jahren Muslime als größte ausländische Bedrohung für Schweden bezeichnet. Und ein stellvertretender Parlamentssprecher hat kürzlich erklärt, dass Juden und Samen keine Schweden seien. Immer wieder blitzt durch, was die Partei vor allem beschäftigt: Die Frage, was schwedisch ist und was nicht. Wer dazugehört, wer draußen bleiben soll.

In düsteren Wahlvideos zeigt die Partei, was ihrer Meinung nach in Schweden passiert, weil es zu viele Migranten hereinlässt: Graue Wohnblöcke, in denen schwedische Familien nur noch in Angst leben, Blaulicht, explodierende Autos, verzweifelte Menschen. Es ist nicht so, dass alles frei erfunden wäre. Aber es ist vereinfacht, einseitig, überspitzt. Schweden geht es ziemlich gut, die Arbeitslosigkeit ist nicht zu hoch, das Wachstum ordentlich. Das Problem, dass nicht alle daran teilhaben und sich die Unzufriedenheit an einigen Orten staut, ist Jahrzehnte alt. Und es wird dadurch verstärkt, dass der Rest Schwedens nur dann auf benachteiligte Viertel schaut, wenn es brennt, wie zuletzt in Göteborg.

Die politische Debatte in Schweden hat sich verändert

Ulf Kristersson hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass Schweden nun den Preis zahle für 20 Jahre "sehr unerfolgreiche" Integrationspolitik. Das hat einiges Aufsehen erregt. Kristersson ist kein Schwedendemokrat, sondern Chef der liberalen Moderaten, der derzeit wichtigsten Oppositionspartei, und Favorit für den Premierminister-Posten. Er sagt, es wäre "gefährlich für Schweden" zur großzügigen Asylpolitik von 2014 zurückzukehren. Er spricht auch über das, was die Rechten in ihren Kampagnenvideos zeigen, über die Bandenkriminalität, die Schießereien und deren Opfer. Die politische Debatte in Schweden hat sich verändert, auch wegen der Schwedendemokraten. Wird Kristersson mit ihnen kooperieren? Vermutlich hört er keine Frage öfter. Sein "Nein" darauf hört sich inzwischen etwas gequält an.

Am Ende der Elefanten-Debatte mussten sich alle Parteichefs in eine Reihe stellen, die Regenbogenfahne in der Hand. Die Moderatorin sagte: Die Schwedendemokraten sind eine homophobe Partei, mit der nicht zusammengearbeitet wird. Wer ihr zustimmt, soll das Fähnchen schwingen. Das haben dann alle acht Parteichefs tapfer gemacht.

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