Süddeutsche Zeitung

Regierungskrise in Schweden:Wird der Neue der Alte?

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Ministerpräsident Löfven tritt zurück und verhindert so Neuwahlen nach einem verlorenen Misstrauensvotum. Nun muss das Parlament aus seiner Mitte eine neue Regierung finden. Das wird schwierig.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Eine Woche nach dem verlorenen Misstrauensvotum gegen seine rot-grüne Regierung ist Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven am Montag zurückgetreten. Bei einer Pressekonferenz in Stockholm nannte der seit 2014 regierende Sozialdemokrat Löfven den Schritt "die schwierigste politische Entscheidung, die ich je getroffen habe". Er wolle Schweden aber Neuwahlen während der schwierigen Zeit der Pandemie ersparen. Neuwahlen wären für Löfven allerdings auch politisch riskant gewesen: Möglicherweise wäre ihm dabei sein jetziger Koalitionspartner abhandengekommen, die in den Umfragen schlecht dastehenden Grünen.

Schwedens Verfassung gibt einem Regierungschef nach verlorenem Misstrauensvotum eine Woche Zeit, um sich zwischen zwei Möglichkeiten zu entscheiden: Neuwahlen innerhalb von drei Monaten oder aber die Einreichung des Rücktritts beim Parlamentspräsidenten. Löfven hat sich für Letzteres entschieden. Das bedeutet, dass der Parlamentspräsident nun bei den acht im existierenden Parlament vertretenen Parteien die Möglichkeiten für eine neue Regierungsmehrheit ausloten muss. Ungewiss ist, wer am Ende die Oberhand behalten wird beim Buhlen um die kleinen Parteien, die am Ende das Zünglein an der Waage sind.

Vorstellbar ist eine neue Regierung unter dem bürgerlichen Oppositionsführer Ulf Kristersson von den Moderaten ebenso wie die Rückkehr Stefan Löfvens an die Macht. Aber auch die Chefin der kleinen Zentrumspartei, Annie Lööf, wird als Kompromisskandidatin und mögliche neue Ministerpräsidentin gehandelt. Bis eine neue Regierung gefunden ist, wird die Regierung Löfven kommissarisch im Amt bleiben.

Ein politisches Tabu scheint nicht mehr zu gelten

Leicht wird die Mehrheitssuche nicht. Die Ergebnisse der Wahlen 2018 hatten zu einer Blockade zwischen dem rot-grünen und dem bürgerlich-rechten Block geführt. Einer der Gründe dafür war das Erstarken der rechtspopulistischen Schwedendemokraten SD, die mittlerweile drittstärkste Partei in Schweden sind. In Schweden galt es lange als Tabu, mit den SD zusammenzuarbeiten, mittlerweile jedoch erklärt sich die bürgerliche Opposition bereit zu einer Kooperation. Nach den Wahlen 2018 dauerte die Regierungsbildung quälende 134 Tage. Die Blockade wurde am Ende nur gelöst, weil zwei kleinere bürgerliche Parteien, die Zentrumspartei und die Liberalen, ins rot-grüne Lager desertierten: Sie wollten eine von den SD unterstützte bürgerliche Regierung verhindern.

Parlamentspräsident Andreas Norlén versprach nun, er wolle den Prozess diesmal beschleunigen. Das Land soll nicht noch einmal für so lange Zeit gelähmt sein. Norlén wird Sondierungsgespräche führen mit den Chefs aller Parteien und dann den aussichtsreichsten Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen. Insgesamt kann er vier Mal einen neuen Ministerpräsidenten vorschlagen, scheitern alle Versuche, dann gibt es Neuwahlen.

Die Rechtspopulisten streben nach mehr Einfluss

Im Moment sieht es so aus, als stünde Stefan Löfven vor einer weit schwierigeren Aufgabe als 2018. Damals bildeten seine Sozialdemokraten eine Minderheitsregierung mit den Grünen als Koalitionspartner, die sich dann von drei höchst unterschiedlichen kleinen Parteien außerhalb der Regierung tolerieren ließ: von der Zentrumspartei, von den Liberalen und von der Linkspartei. Die Liberalen allerdings haben ihren Schwenk ins rot-grüne Lager mittlerweile bereut und erklärten, von nun an eine bürgerliche Regierung zu unterstützen. Dass diese dann auf die Tolerierung durch die rechtspopulistischen Schwedendemokraten angewiesen wäre, stört die Führung der Liberalen heute nicht mehr. SD-Führer Jimmie Åkesson machte am Montag noch einmal klar, dass er sich seine mögliche Unterstützung einer bürgerlichen Regierung bezahlen lassen wolle: Seine SD wollten "entsprechend unserer Größe Einfluss auf die Regierungspolitik".

Und dann ist da noch der Zwist Löfvens mit den schwedischen Linken. Die Linkspartei war der Auslöser des Regierungssturzes gewesen: Sie hatte eine Mietpreisliberalisierung nicht mittragen wollen. Die ist nun offenbar vom Tisch. Die Linken beteuern seither, sie wünschten sich eine Rückkehr Stefan Löfvens ins Regierungsamt. Gleichzeitig ist der Ton schärfer geworden zwischen den Parteien. Löfven griff die Linken am Montag scharf an, sie hätten gemeinsame Sache mit den Rechten gemacht. Die Linkspartei wiederum wehrte sich in einem Tweet: "Die Einzigen, mit denen wir gemeinsame Sache gemacht haben, sind die Mieter."

Was auch immer am Ende für eine Regierung gefunden wird, eines steht fest: Sie wird nur für ein knappes Jahr Bestand haben. Der Termin für die reguläre nächste Parlamentswahl im September 2022 nämlich hat auf jeden Fall Bestand.

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