Der Regierung des sozialdemokratischen schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven droht am kommenden Montag der Sturz. Für Montagvormittag um zehn Uhr ist im Parlament in Stockholm ein Misstrauensvotum gegen die rot-grüne Minderheitsregierung angesetzt. Am Donnerstagnachmittag sah es so aus, als habe eine Allianz von Linksaußen bis Rechtsaußen eine parlamentarische Mehrheit, um dann Löfven zu stürzen. Der schwedische Sender SVT sprach von "dramatischen Tagen", die der Premier nun vor sich habe.
Löfven sagte auf einer Pressekonferenz in Stockholm, es sei "unverantwortlich", Schweden während der Covid-Pandemie in eine Krise zu stürzen; seine Gegner beschritten einen "gefährlichen Weg".

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Auslöser der politischen Turbulenzen war die Erklärung der Linkspartei, die Regierung Löfven nicht länger tolerieren zu wollen. Linken-Vorsitzende Nooshi Dadgostar hatte am Donnerstagmorgen erklärt, ihre Partei habe das Vertrauen zu Löfven verloren wegen des Entwurfes für ein neues Mietgesetz. Das Gesetz soll Vermietern in Zukunft erlauben, den Mietpreis bei Neubauten frei zu bestimmen. Dadgostar warf der Regierung vor, damit "das schwedische Modell zu zerstören".
Den Ball der Linken nahmen ausgerechnet die rechtspopulistischen Schwedendemokraten SD auf. Anders als die zu kleine Linkspartei verfügen die SD über genug Parlamentssitze, um als Fraktion ein Misstrauensvotum beantragen zu können, was sie unmittelbar nach der Erklärung von Dadgostar taten.
"Es ist nicht optimal."
Entscheidend war das Verhalten der bürgerlichen Oppositionsparteien: der Christdemokraten und der Moderaten. Bei beiden Parteien war zunächst unklar, ob sie den Schritt der Linken und das Misstrauensvotum der Rechtspopulisten unterstützen würden. Erstens stehen die beiden Parteien der vorgeschlagenen Liberalisierung des Mietrechts positiv gegenüber. Und zweitens hätten die bürgerlichen Parteien wohl lieber die regulär für kommendes Jahr angesetzten Wahlen abgewartet statt nun Neuwahlen zu riskieren.

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"Diese Regierung hätte niemals ihr Amt antreten dürfen", schrieb dann aber Moderaten-Chef Ulf Kristersson auf Facebook. Und Fraktionschef Tobias Billström sagte, die Moderaten würden "selbstverständlich gegen diese Regierung stimmen". Ebba Busch, die Chefin der kleineren Christdemokraten, sagte, ihre Partei begrüße mögliche Neuwahlen: "Es ist nicht optimal, aber es gibt den Wählern die Möglichkeit, mitzureden."
Löfven regiert Schweden seit 2014. Nach den Wahlen im September 2018 trat er erst im Januar 2019 erneut sein Amt an. Zuvor hatten komplizierte Verhandlungen die Tolerierung seiner neuen rot-grünen Regierung durch zwei kleine Überläufer-Parteien aus dem bürgerlichen Lager und die Linkspartei garantiert. Der Tolerierungspakt kam damals nur zustande, weil sich die Parteien alle einig waren in der Ablehnung der rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Eine Minderheitsregierung des bürgerlichen Lagers nämlich unter Führung des Moderaten Kristersson wäre 2019 nur denkbar gewesen, wenn sie von den SD geduldet worden wäre.
Die SD waren einst hervorgegangen aus neonazistischen und rassistischen Gruppen. Liberale und Zentrumspartei aber, eigentlich klassische Mitglieder des bürgerlichen Lagers, wollten in keiner Regierung sitzen, die ihre Entstehung den SD verdankt. Ebenso wenig wollten sie allerdings mit der Linkspartei zusammenarbeiten - mit dem Ergebnis, dass die Sozialdemokraten sich zwar am Ende von den Linken dulden ließen, aber offiziell nie mit ihnen in Verhandlungen traten, um Liberale und Zentrum nicht abzuschrecken.
Bislang sind alle Misstrauensvoten in Schweden gescheitert
Minderheitsregierungen an sich sind in Schweden nichts Ungewöhnliches. Eine Regierung braucht hier nicht unbedingt die Mehrheit der Stimmen im Reichstag, um bestätigt zu werden. Es genügt, wenn sie nicht von der Mehrheit der Stimmen, das wären 175, abgelehnt wird. Genau dieses Schicksal aber droht Löfven nun am kommenden Montag. Wenn das Misstrauensvotum am Montag Erfolg hat, wäre es historisch: Alle elf Misstrauensvoten, die es bislang in Schweden gab, sind gescheitert.
Im Falle einer Niederlage hat Löfven eine Woche Zeit für den nächsten Schritt. Denkbar sind dann Neuwahlen oder aber eine Übergangsregierung. Nicht ausgeschlossen ist auch die Möglichkeit, dass Stefan Löfven über das Wochenende noch einen Kompromiss mit der Linkspartei findet.