Süddeutsche Zeitung

Rechte in Schweden:Radikal hinter der Fassade

In Schweden wäre ein Erfolg der Schwedendemokraten bei der Wahl am Sonntag eine besondere Zäsur. Nach außen hin gibt sich die Führung um den Vorsitzenden Jimmie Akesson moderat - doch die Ideologie der Partei spricht eine andere Sprache.

Kommentar von Silke Bigalke

Als Nächstes also ist Schweden dran. Die Rechtspopulisten im Land werden bei der Wahl am Sonntag wohl so gut abschneiden wie nie; der Rechtsruck in Europa wird weitergehen. In Skandinavien war er zuletzt besonders heftig: Rechte Parteien erhielten in Dänemark 21 Prozent, in Finnland knapp 18, in Norwegen 15 Prozent der Stimmen.

In Schweden aber könnte das Wahlergebnis dramatischere Folgen haben. In Dänemark und Norwegen entstanden die rechtspopulistischen Parteien aus Protest gegen hohe Steuern, die Ablehnung gegen Einwanderer kam später dazu. In Schweden aber schloss sich Ende der 80er-Jahre die fremdenfeindliche Fortschrittspartei mit der rechtsextremen Gruppe "Haltet Schweden schwedisch" zusammen - den Spruch haben die jetzigen Schwedendemokraten anfangs sogar übernommen. Einer der ersten Parteichefs hatte Verbindungen zu einer Neonazi-Partei. Diese Vergangenheit hing den Schwedendemokraten lange nach, erst 2010 schafften sie es ins Parlament.

Immer wieder rechte Ausfälle durch Parteimitglieder

Die Partei hat sich seither nach außen hin geändert. Parteichef Jimmie Åkesson rief eine "Null-Toleranz-Politik" gegen Rechtsextreme aus. Trotzdem fallen immer wieder Parteimitglieder durch rassistische, antisemitische oder islamfeindliche Äußerungen auf. Vergangene Woche haben die Zeitung Expressen und die Antirassismus-Stiftung Expo Kandidaten bloßgestellt, die im Internet erklärt hatten, Hitler sei gar nicht so schlimm gewesen.

Wegen solcher Entgleisungen halten die norwegische Fortschrittspartei und die Dänische Volkspartei bisher Abstand zum Schmuddelkind im Norden. Die Schwedendemokraten sind wohl eher vergleichbar mit der AfD in Deutschland. Sie hatten allerdings mehr Zeit, sich anzupassen. Es würde sich wohl kein prominenter Schwedendemokrat hinstellen und das Naziregime als "Vogelschiss in der Geschichte" bezeichnen.

Wie viel ist also Fassade, was echte Erneuerung? Jimmie Åkesson bekommt seine Basis nicht in den Griff, das ist das eine. Doch auch der Blick auf die Ideologie der Partei lässt Schlimmes befürchten. Sie ist nicht einfach konservativ und nationalistisch, wie die Parteiführung behauptet. Die Schwedendemokraten wollen alle fernhalten, die ihrer Meinung nach die schwedische Kultur gefährden. Europäer sind willkommen; Menschen aus überwiegend muslimischen Ländern, aus dem Mittleren Osten und Nordafrika, jedoch nicht. Kulturen sollte man nicht mischen, sagen sie und sind damit ganz nahe an der Bewegung der Identitären. Ihr Kulturbegriff vermischt dann gleich Herkunft und Religion. Ein prominenter Schwedendemokrat hat wiederholt erklärt, er halte Samen und Juden nicht für Schweden.

Bislang galt in Schweden: Keine Geschäfte mit den Rechten

Es gibt eine zweite Besonderheit in Schweden: In allen Nachbarländern sind die Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt oder stützen sie. In Schweden sind sie bisher isoliert. In Skandinavien sind Minderheitsregierungen üblich, die für jede Entscheidung neue Mehrheiten finden müssen. Wenn da die Schwedendemokraten als drittstärkste Partei im Parlament einen Vorschlag still mitgetragen haben, hat sich zwar meist niemand beschwert. Nach außen hin aber war die Botschaft klar: Keine Geschäfte mit den Rechten.

Wenn die Partei nun 20 Prozent oder mehr bekommt, wäre das kaum noch durchzuhalten. Schweden war bislang anders. Die Frage ist, ob das nach diesem Sonntag noch gilt.

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SZ vom 07.09.2018/csi
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