Schweden:Nordische Blockade

Prime Minister and Social Democratic Party leader Stefan Lofven attends a news conference at the government headquarters Rosenbad in Stockholm

Es fehlt nur ein kleines bisschen: 144 Abgeordnete hat der aktuelle schwedische Premierminister Stefan Lofven hinter sich - das ist einer mehr als das gegnerische Bündnis, aber 31 zu wenig für eine Mehrheit.

(Foto: Henrik Montgomery/Reuters)

In Stockholm stehen sich die Parteiblöcke fast gleich stark gegenüber. Nun geht es darum, wer als Erster zuckt.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Sie haben sich einen Tag länger Zeit genommen, um nachzuzählen. Am schwedischen Patt ändert das offizielle Wahlergebnis jedoch nichts. Die beiden Parteiblöcke stehen sich fast gleich stark gegenüber. Besser gesagt: gleich schwach. Weder Premierminister Stefan Löfven noch Oppositionschef Ulf Kristersson haben eine Mehrheit. Trotzdem streiten sie seit Tagen darum, wer Wahlsieger ist und eine Regierung bilden darf.

Als Erster wird wohl Stefan Löfven seine Chancen testen. Er ist als Premierminister nicht zurückgetreten, sieht sich als Sieger. 144 Abgeordnete hat er hinter sich stehen, Sozialdemokraten, Grünen und Linke. Das ist genau einer mehr, als Ulf Kristersson auf seiner Seite rechnen kann. Aber es sind auch 31 Sitze zu wenig für eine Mehrheit. Die Stimmen, die beiden Blöcken fehlen, haben die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erhalten. Und mit denen möchte bisher keiner Koalitionsgespräche führen.

Löfven kann die Aussitztaktik wohl nur noch eine Woche durchhalten. Dann kommt das neue Parlament zusammen und stimmt über den Premier ab. Nach jetzigem Stand wäre eine Mehrheit gegen ihn, falls er vorher nicht freiwillig geht oder nicht doch noch neue Partner findet.

Die Lage ist verfahren: Es geht nun darum, wer als erster zuckt

Ulf Kristersson jedenfalls stimmt sicher nicht für Löfven. Er möchte eine Regierung aus den vier liberal-konservativen Parteien bilden, der sogenannten Allianz. Dieses Bündnis gibt es seit 2006, Stefan Löfven schimpft seit Monaten darauf: Die Allianz machte es dem Sozialdemokraten unmöglich, neue Partner zu finden. Löfven hofft nun, dass zwei der Allianz-Parteien, die Liberalen und die Zentrumspartei, zu ihm überlaufen. Bisher hofft er vergeblich.

Derzeit sieht es so aus, als würde die Allianz geschlossen gegen Löfven stimmen. Ob freiwillig oder nicht, die Allianz würde in diesem Moment mit den Schwedendemokraten gemeinsam eine Mehrheit gegen den Premier bilden. Falls Löfven scheitert, muss ein neuer Kandidat her. Der Parlamentspräsident bestimmt ihn in Absprache mit den Parteien. Vermutlich wird es Kristersson als Nächster versuchen. Der wäre dann in derselben Situation wie Löfven jetzt, die Mehrheit gegen ihn. Jedenfalls wenn er die Schwedendemokraten nicht bittet, ihn zu unterstützen. Deren Chef Jimmie Åkesson hat schon angekündigt, dass seine Partei Einfluss auf die Politik haben oder für Neuwahlen sorgen will. Das heißt wohl, sie wird gegen jeden Kandidaten stimmen, der sie ignoriert.

Ulf Kristersson hat sich nun weit vorgewagt und Stefan Löfven aufgefordert, seine Regierung zu unterstützen. Die Allianz habe mehr Stimmen als Rot-Grün, so sein Argument, weil die Linke die Koalition nur von außen stützt. Löfven überzeugte das nicht. Den Gedanken, die Sozialdemokraten könnten eine Allianz-Regierung stützen, könne die "vollständig abschreiben".

Es geht nun darum, wer als Erster zuckt: Tritt Löfven zurück, bevor er das Votum im Reichstag verliert? Gehen Liberale und Zentrumspartei auf ihn zu, bevor sie mit den Schwedendemokraten gegen ihn stimmen? Gibt es eine andere Lösung? Die Grünen haben beispielsweise Annie Lööf als Premierministerin vorgeschlagen, sie ist die Chefin der Zentrumspartei. Ein Weg herum um die starren Blöcke der beiden Spitzenkandidaten? Annie Lööf hat bisher nicht angebissen.

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