Süddeutsche Zeitung

Schweden:Neuer Exportschlager

Nach der Außenpolitik soll auch der Handel feministisch werden.

Von Kai Strittmatter

Anders als andere Nationen haben die Schweden ein recht entspanntes Verhältnis zum Wort "Feminismus". Der Ministerpräsident, der Sozialdemokrat Stefan Löfven, ist zwar ein Mann, in seinem Kabinett sitzen jedoch zwölf Ministerinnen neben zehn Ministern, und die offizielle Website stellt die Regierung stolz als "erste feministische Regierung der Welt" vor. Eine Regierung will das sein, die sich die Gleichberechtigung der Frau zum Leitbild all ihrer Politik nimmt.

Eigentlich war es da nur logisch, dass Schwedens Außenministerin Margot Wallström gleich nach Amtsantritt im Oktober 2014 erklärte, von nun an werde das Land eine "feministische Außenpolitik" verfolgen. "Es gab viel Gekichere in den ersten Tagen und auch offenen Widerstand", erinnerte sich Wallström einmal. Die Ministerin erklärte immer wieder, dass die Diplomatie sich weltweit diese drei Fragen stellen solle: Haben Frauen die gleichen Rechte? Sitzen sie mit am Tisch der Entscheider? Und haben sie den gleichen Zugang zu Ressourcen? Am Ende, so das Argument, werde jeder Fortschritt in Sachen Gleichberechtigung der Frau auch einen Fortschritt bei den klassischen Zielen der Außenpolitik wie Frieden und Sicherheit mit sich bringen.

Vierzig Prozent der Botschaften Schwedens werden heute von Frauen geleitet. Der Ansatz hat weltweit Nachahmer gefunden: Kanada, Finnland oder Australien, die Themen wie sexuelle Gewalt gegen Frauen ins Zentrum ihrer diplomatischen Arbeit gerückt haben. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Regierung in Stockholm für Lernwillige gar ein "Handbuch für feministische Außenpolitik".

Nun prescht Handelsministerin Ann Linde vor. In einem Essay in der Zeitung Aftonbladet erklärte sie, Schweden werde flankierend zur Außenpolitik nun auch eine feministische Handelspolitik bekommen. Eine Politik, die weltweit Frauen als Produzentinnen und Unternehmerinnen, aber auch als Konsumentinnen ermächtigen soll. "Männer profitieren mehr von der heutigen Handelspolitik als Frauen", schrieb sie. Das müsse sich ändern. Linde zitiert etwa absurde Zollregeln, die dazu führten, dass für eine Seidenbluse sechs Mal mehr Zoll bezahlt werden müsse als für ein Männer-Seidenhemd. Ebenso möchte sie auf die EU einwirken, um Normen und Standards auch auf die Ansprüche von Frauen hin auszulegen: "Im Moment ist die Wahrscheinlichkeit für eine Frau, sich bei einem Autounfall ernsthaft zu verletzen, um 47 Prozent höher", schreibt Linde, "weil die Sicherheitsstandards für die heutigen Autos mit Blick auf Männer entworfen wurden".

Kritiker haben Schweden Heuchelei vorgeworfen, sie kritisieren etwa Waffenexporte an Länder wie Saudi-Arabien oder an die Philippinen unter Präsident Rodrigo Duterte. Handelsministerin Ann Linde stand selbst auch schon im Sturm der Kritik, 2017, als sie eine Handelsdelegation in Iran anführte und dabei wie verlangt ein Kopftuch anlegte. Und doch überwiegt meist der Applaus. Als die US-Zeitschrift Foreign Policy im Januar dieses Jahres eine Bilanz der ersten fünf Jahre feministischer Außenpolitik zog, da empfahlen die Autorinnen der renommierten Denkfabrik Council on Foreign Relations: "Die Welt sollte es Schweden gleichtun."

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SZ vom 06.08.2019
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