Süddeutsche Zeitung

Schweden:Neue Regierung in Sicht

Zwei Parteien des bürgerlichen Lagers in Schweden wechseln die Fronten und wollen fortan eine Regierung aus Sozialdemokraten und Grünen tolerieren. Das würde Monate des politischen Stillstandes beenden - und Stefan Lövfen könnte Premier bleiben.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Nach vier Monaten des politischen Stillstands bekommt Schweden möglicherweise schon nächste Woche eine neue Regierung, die es dem Sozialdemokraten Stefan Löfven erlaubt, weiter Premier zu sein. Zwei Parteien aus dem bürgerlichen Lager wechseln offenbar die Fronten und wollen eine Minderheitsregierung von Sozialdemokraten und Grünen unterstützen. Am Freitag veröffentlichten Sozialdemokraten, Grüne, Zentrumspartei und Liberale eine entsprechende Vereinbarung. Von einem "Durchbruch" sprach am Freitag Annie Lööf, die Vorsitzende der Zentrumspartei, die mit den Liberalen das Zünglein an der Waage gespielt hatte.

Der Vereinbarung müssen die Gremien der einzelnen Parteien übers Wochenende noch zustimmen. Wenn sie zustande kommt, wäre es der Bruch des bürgerlichen Lagers um die Moderaten und die Christdemokraten, die sich ebenfalls Hoffnung auf Regierungsverantwortung gemacht hatten. Zentrumspartei und Liberale waren in den vergangenen Jahren Teil dieser konservativen Allianz gewesen. Ihre Unterstützung für die Sozialdemokraten ist ein historischer Schwenk, und eine Reaktion auf den Erfolg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten bei der Wahl im September. Damals waren die Rechtspopulisten drittstärkste Kraft geworden, mit dem Ergebnis, dass weder das linke noch das bürgerliche Lager aus eigener Kraft eine Regierung hatten bilden können. Eine Regierung der konservativen Moderaten wäre nur möglich mit Duldung der Schwedendemokraten, eine Option, die Annie Lööf von der Zentrumspartei immer abgelehnt hatte: Sie wollte den Rechtspopulisten, die einst unter anderem aus Neonazikreisen hervorgegangen waren, keinen Einfluss zugestehen.

"Die Lösung jetzt ist nicht unsere liebste", sagte Lööf am Freitag, "aber in dieser schwierigen Lage ist es die einzige." Ein Ende der politischen Krise sei "wichtig für Schweden". Ihre Partei werde eine künftige Regierung aus Sozialdemokraten und Grünen von Fall zu Fall unterstützen, im Gegenzug habe man unter anderem eine Deregulierung des Arbeitsmarktes, Steuererleichterungen und geringere Arbeitgeberabgaben aushandeln können. Die Linkspartei werde keinen Einfluss mehr haben auf die Politik der Regierung. Die Grünen konnten sich nach Informationen der Zeitung Aftonbladet durchsetzen mit der Wiedereinführung der Flugsteuer, den Liberalen sollen die Sozialdemokraten bei der Reform des Schulsystems entgegengekommen sein. Der Zeitung Svenska Dagbladet zufolge sind die konservativen Moderaten und Christdemokraten von dem Schwenk ihrer Partner "komplett überrascht" worden. Funktionäre der Parteien bezichtigten Lööf des "Verrats" und "Betrugs". In der Zentrumspartei herrscht seit Wochen Streit über den künftigen Kurs, das Svenska Dagbladet prophezeite "tiefe Wunden" bei den Gegnern der jetzigen Entscheidung.

Parlamentssprecher Andreas Norlén hat für kommenden Mittwoch die Abstimmung über einen neuen Ministerpräsidenten angesetzt.

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SZ vom 12.01.2019
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