Schweden: Ministerpräsident Reinfeldt:Auf der Suche nach der Mehrheit

Premierminister Reinfeldt steht in Schweden vor einer Herausforderung: Seine konservative Partei hat trotz eines Rekordergebnisses keine Mehrheit mehr. Dem 45-Jährigen könnte eines helfen: Seine Wandlungsfähigkeit. Ein Porträt.

Gunnar Herrmann, Stockholm

John Fredrik Reinfeldt hat in seinem Leben oft die Rollen gewechselt. In den vergangenen Wochen versuchte er, in die des Landesvaters zu schlüpfen. Die Plakate, mit denen seine Partei Schweden in den Tagen vor der Wahl tapezierte, zeigen den konservativen Regierungschef so, wie ihn die Anhänger lieben: gütig lächelnd, mit treuem Blick aus braunen Augen. "Wer soll am Montag Ministerpräsident sein?", steht unter dem Bild. Am Sonntag beantwortete eine sehr knappe Mehrheit der Schweden diese Frage offenbar mit: "Du, Fredrik!"

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Verpasste seiner Partei einen frischen Anstrich: John Fredrik Reinfeldt.

(Foto: AFP)

Der 45-jährige Vater dreier Kinder war nicht immer so beliebt. Es ist gar nicht lange her, da gab er noch den Rebellen. In den 1990er Jahren etwa übte er scharfe Kritik an der damaligen Parteiführung um den Vorsitzenden Carl Bildt.

Reinfeldt verfasste radikale Kampfschriften wie das Buch "Das schlafende Volk", in dem er für neoliberale Reformen und gegen den Wohlfahrtsstaat polemisierte. Seine Karriere erlitt nach den Attacken allerdings einen Knick. In der Partei habe man ihn wie einen Pestkranken behandelt, erinnerte er sich später.

Damals muss Reinfeldt erkannt haben, dass sein Talent nicht so sehr in ideologischer Schärfe, sondern eher in Wandlungsfähigkeit besteht. Auch begriff er offenbar, dass Politik ohne Verbündete zum Scheitern verdammt ist. Reinfeldt, der als Jugendlicher gerne Schultheater spielte, veränderte in den folgenden Jahren erst sich, und dann die ganze Partei.

Nach einer schlimmen Wahlniederlage bekam der geläuterte Rebell 2003 seine Chance als Vorsitzender. Unter seiner Führung bewegten sich Schwedens Konservative rasch Richtung Mitte. Radikale Steuersenkungen und Sozialabbau verschwanden aus dem Programm, aus den "Moderaten", wie er die Bildt-Leute genannt hatte, wurden die "Neuen Moderaten". Reinfeldt verpasste der Partei sogar einen frischen Anstrich: Statt in Dunkelblau schimmert das Parteilogo heute in einem hellblauen Pastellton. Mit all diesen Renovierungen erschloss Reinfeldt neue Wählerschichten.

Seine größte Errungenschaft aber war es, ein Bündnis mit den drei kleineren bürgerlichen Parteien zu schmieden. Kaum einer rechnete damit, dass es ihm gelingen würde, die Vierer-Koalition eine ganze Legislaturperiode lang ohne größere Probleme zusammenzuhalten.

Doch Reinfeldt erwies sich als Meister des Kompromisses. Sogar mit einstigen Gegnern in den eigenen Reihen schloss er Frieden, Carl Bildt wurde sein Außenminister. Zwar gab es nach dem Wahlsieg 2006 etliche Pannen - in den ersten Monaten traten drei Kabinettsmitglieder zurück - aber der Zusammenhalt der Koalition stand trotzdem nie auf dem Spiel.

Mit seinem fast ideologiefreien Pragmatismus hat Reinfeldt in vier Jahren nicht nur viele Wähler erobert. Er hat außerdem die rote Hegemonie in Schwedens Parteienlandschaft gebrochen.

Die "Neuen Moderaten" landeten zwar knapp hinter den Sozialdemokraten, die mit 30,8 Prozent das schlechteste Ergebnis der Parteigeschichte erzielten. Da aber die rechtspopulistischen Schwedendemokraten den Einzug ins Parlament schafften, verfügt Reinfeldt nun über keine Mehrheit. Der 45-Jährige hatte aber bereits angekündigt, auch mit einer Minderheitsregierung weitermachen zu wollen.

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