Schweden:Minderjährig? Zum Mediziner!

Lesezeit: 1 Min.

Seit März wendet Schweden medizinische Tests an, um das Alter von unbegleiteten Flüchtlingen zu bestimmen, die sich als minderjährig ausgeben. Die große Mehrheit wird von den Ärzten als erwachsen eingestuft.

Von Silke Bigalke

In Schweden haben sie lange über diesen Test gestritten: Seit März untersucht das Amt für Rechtsmedizin nun das Alter von Flüchtlingen, die allein nach Schweden gekommen sind und behaupten, minderjährig zu sein. Nun hat die Regierung eine erste Bilanz veröffentlicht: Fast 2500 Bewerber wurden getestet, mehr als 80 Prozent von ihnen für volljährig erklärt. Dafür wurden die Weisheitszähne der Asylsuchenden geröntgt und ihre Kniegelenke mit Magnetresonanztomographie (MRT) durchleuchtet. Getestet wird nur, wer sein Alter nicht belegen kann und nicht offensichtlich noch ein Kind ist.

Alle anderen zwingt die Migrationsbehörde zwar nicht zum Arzt. Die Alternative ist jedoch, dass ein Behördenmitarbeiter ihr Alter einfach schätzt, ganz ohne medizinische Grundlage. Schon früher hatten angeblich minderjährige Flüchtlinge daher theoretisch das Recht, ihr Alter von einem Arzt bestimmen zu lassen. Dieser hat dann meist ihr Handgelenk und die Zähne geröntgt. Weil diese Tests umstritten sind und als unsicher gelten, war zu ihnen nicht jeder Arzt bereit. Am Ende blieb oft nur das Schätzverfahren.

Deswegen hat die Regierung das Amt für Rechtsmedizin beauftragt, verschiedene Verfahren zu prüfen und das geeignetste zum Standard zu erklären. Die Kosten für die Tests übernimmt der Staat. Insgesamt knapp 7000 Asylsuchende haben die Untersuchung bereits beantragt, viele warten noch darauf. Nach Schweden kamen mehr unbegleitete Minderjährige als in jedes andere Land der EU, allein 2015 waren es 35 000. Nach Deutschland kamen im selben Zeitraum etwa 22 000. In Schweden leben sie in besonders betreuten Heimen, bekommen mehr Hilfe und haben eine größere Chance darauf, im Land bleiben zu dürfen, als volljährige Asylsuchende. Trotzdem gingen die Zahlen stark zurück, nachdem die schwedische Regierung im Herbst 2015 ihre Flüchtlingspolitik umkrempelte. Damals führte sie Grenzkontrollen ein und beschloss den Alterstest. Viele von denen, die 2015 ankamen, warten bis heute auf eine Asylentscheidung. Manche sind in der Zwischenzeit volljährig geworden. Die Behörde rechnet damit, dass bei den noch offenen Anträgen etwa 14 000 Alterstests notwendig sind.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: