Süddeutsche Zeitung

Machtpoker in Stockholm:Schwedens Parlament spricht Regierungschef Löfven Misstrauen aus

  • Die Mehrheit der neu gewählten Parlamentarier in Schweden hat für den Abgang des Regierungschefs Stefan Löfven gestimmt.
  • Löfven wird die Regierung trotzdem kommissarisch weiterführen, bis die Koalitionsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen sind.
  • Beide großen politischen Blöcke wollen die Regierung stellen, doch nach der Wahl hat keiner von ihnen eine Mehrheit im Reichstag.
  • Spannend wird nun das Verhalten der rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Sie haben gegen Löfven gestimmt.

Zwei Wochen nach der Wahl hat Schwedens Regierungschef Stefan Löfven eine Vertrauensabstimmung im Parlament verloren. Die Mehrheit der neu gewählten Parlamentarier stimmte am Dienstag für den Abgang des Sozialdemokraten. Damit könnte der Weg für eine konservative Regierung frei sein.

Löfven wird die Regierung trotzdem kommissarisch weiterführen, bis ein Nachfolger gewählt werden kann. Löfven kündigte unmittelbar nach der Abstimmung im Parlament an, sich noch einmal um das Amt bewerben zu wollen. Neben dem Sozialdemokraten werden auch dem konservativen Ulf Kristersson gute Chancen auf den Posten des Regierungschefs eingeräumt. Die Regierungsbildung gestaltet sich wegen der Mehrheitsverhältnisse jedoch schwierig.

Eine zentrale Rolle bei den nun anstehenden Verhandlungen kommt dem frisch gewählten Parlamentssprecher Andreas Norlén zu, dessen Amt dem des deutschen Bundestagspräsidenten entspricht. Er muss in Gesprächen mit den Parteichefs ermitteln, welcher Kandidat die größten Chancen hat, eine Regierung zu bilden.

Die Schwedendemokraten stimmten mit den bürgerlichen Parteien

Weder Lövfen noch Kristersson hat derzeit eine Mehrheit im Parlament. Das rot-grüne Bündnis von Löfven hat zwar ein Mandat mehr gewonnen als die bürgerliche Allianz aus vier Parteien. Aber beide Blöcke bräuchten für eine Mehrheit deutlich mehr Stimmen. Die könnten von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten kommen, die keinem Block angehören. Bislang lehnten die anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten jedoch ab. Bleibt es bei dieser Ablehnung, müsste wohl eine der kleineren Parteien den Block, wofür es im Moment jedoch auch keine Anzeichen gibt.

Die Rechtspopulisten haben sich vor der Wahl bereit erklärt, Kristersson zu wählen, vorausgesetzt sie können Einfluss auf die künftige Regierungspolitik nehmen. Allerdings haben Kristerssons Konservative die Rechtspopulisten am Montag sehr verärgert - sie verweigerten ihnen die Unterstützung bei der Wahl eines stellvertretenden Parlamentssprechers. Dieser Posten stünde den Gepflogenheiten zufolge den Schwedendemokraten als dirttstärkster Kraft zu. Sie konnten ihn auch in der vergangenen Legislaturperiode besetzen. Aber diesmal enthielten sich liberale und konservative Abgeordnete bei der Wahl, so dass der Posten einer Abgeordneten der Linkspartei zufiel.

Jimmie Åkesson, Parteichef der Schwedendemokraten, zeigte sich zwar enttäuscht, erneuerte aber dennoch am Dienstagmorgen sein Angebot zur Zusammenarbeit an Kristersson. Kurz darauf beim Vertrauensvotum im Parlament stimmten die vier bürgerlichen Parteien zusammen mit den Schwedendemokraten gegen Löfven.

Beobachter gehen davon aus, dass Kristersson seine konservative Partei und auch die Christdemokraten von einer Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten überzeugen könnte. Er würde dann aber riskieren, die beiden liberalen Parteien zu verprellen, die er für eine Mehrheit braucht. Würde zum Beispiel die Zentrumspartei den Block wechseln, könnte der Sozialdemokrat Löfven erneut Ministerpräsident werden. Mit Rechtspopulisten und Liberalen und Grünen gibt es derzeit im schwedischen Parlament also nicht nur ein, sondern zwei Zünglein an der Waage.

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