Süddeutsche Zeitung

Nato-Beitritt:"Wir verlassen eine Ära"

Schwedens Ministerpräsidentin stellt eine "breite Mehrheit" für einen Nato-Beitritt im Parlament fest. Den Antrag will das Land gemeinsam mit Finnland einreichen. Es ist eine historische Zäsur für beide Länder.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Mehr als 200 Jahre war Schweden eine neutrale und bündnisfreie Nation, Finnland war es acht Jahrzehnte lang. Damit ist es nun vorbei. "Wir verlassen eine Ära und gehen in eine andere", sagte Schwedens Premierministerin Magdalena Andersson am Montag in Stockholm, nachdem das schwedische Parlament seine Nato-Debatte abgeschlossen hatte. Andersson stellte eine "breite Mehrheit" im Parlament für den Nato-Beitritt fest und verkündete den offiziellen Beschluss ihrer Regierung, einen Antrag einreichen zu wollen. Man wolle dies gemeinsam mit Finnland tun.

Die Parlamentsdebatten am Montag waren der letzte institutionelle Schritt in beiden Ländern vor einem Beitrittsantrag. Eine Zustimmung galt schon im Vorhinein als sicher. Da die finnische Parlamentsdebatte am Montag noch nicht abgeschlossen war, rechnen Beobachter mit dem gemeinsamen Antrag entweder am Dienstag oder Mittwoch.

Europa und Schweden lebten nun "in einer neuen und gefährlichen Realität", hatte Magdalena Andersson zuvor im schwedischen Parlament gesagt: "In dieser Realität braucht Schweden die Sicherheitsgarantien, die mit einer Nato-Mitgliedschaft einhergehen." Schweden werde "verwundbar" sein, wenn es als einziges nordisches Land außerhalb der Nato bleibe. In einem Zugeständnis an die Natokritiker erklärte Andersson gleichzeitig, sie wolle "keine Atomwaffen" der Nato auf schwedischem Boden stationiert sehen.

Oppositionsführer Ulf Kristersson von den bürgerlichen Moderaten, die schon lange für einen Natobeitritt warben, drückte seinen Respekt aus vor dem Sinneswandel der lange Nato-skeptischen Premierministerin und ihrer Sozialdemokraten und sagte, seine Partei sei "froh, endlich der Nato beitreten zu dürfen". Gegen einen Beitritt zur Nato sprachen sich lediglich die schwedischen Grünen und die Linke aus. Linken-Chefin Nooshi Dadgostar sprach von einem "Verrat am Wähler". Die Regierung habe den Prozess ohne echte Debatte durchgepeitscht, es wäre besser gewesen, die Wahlen im September abzuwarten und erst danach eine Entscheidung zu treffen.

Das finnische Parlament hatte mehr Zeit für die Debatte eingeplant, dort wird mit einer Abstimmung erst in den Morgenstunden des Dienstag gerechnet. Auch in Helsinki gilt die Abstimmung als reine Formsache. Nach der letzten Zählung finnischer Medien hatten sich im Vorfeld mehr als 80 Prozent der Parlamentarier für einen Nato-Beitritt ausgesprochen. "Unsere Sicherheitsordnung ist eine fundamental andere geworden", sagte Ministerpräsidentin Sanna Marin zu Beginn der Sitzung am Montag: "Das einzige Land, das heute Europas Sicherheit bedroht und einen Angriffskrieg führt, ist Russland."

Schwedens Verteidigungsminister Peter Hultqvist erklärte am Mittwoch im Sender SVT, er habe von mehreren Nato-Staaten Signale erhalten, wonach die Aufnahme Finnlands und Schwedens rasch erfolgen solle. Er glaube auch nicht, dass die Türkei am Ende wirklich die Aufnahme Schwedens blockieren wolle.

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