Nato-Erweiterung:Brüder im Gleichschritt

Nato-Erweiterung: Nachbarn, so nah wie selten: Der finnische Präsident Sauli Niinistö und Schwedens Regierungschefin Magdalena Andersson am Dienstag in Stockholm.

Nachbarn, so nah wie selten: Der finnische Präsident Sauli Niinistö und Schwedens Regierungschefin Magdalena Andersson am Dienstag in Stockholm.

(Foto: Anders Wiklund/TT/AP)

Schweden unterzeichnet Beitrittsantrag und will ihn mit Finnland bei der Nato einreichen. Der finnische Präsident und die schwedische Regierungschefin kündigen gemeinsame Reise nach Washington an.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Das Beitrittsgesuch an die Nato ist unterzeichnet. Am Dienstag machten in Stockholm Bilder von Schwedens Regierungschefin Magdalena Andersson im Moment der Unterzeichnung die Runde, gerade als Finnlands Staatspräsident Sauli Niinistö für seinen Staatsbesuch in Schweden eingetroffen war. Auch in Finnland nahm zur selben Zeit der Antrag die letzten Hürden: Das finnische Parlament stimmte am Dienstag ebenfalls mit 188 zu acht einem Nato-Beitritt zu.

Finnland und Schweden wollen den Antrag dann gemeinsam spätestens an diesem Mittwoch bei der Nato einreichen. Für Donnerstag kündigten Präsident Niinistö und Schwedens Premierministerin Andersson eine gemeinsame Reise nach Washington an. Sie werden dort US-Präsident Joe Biden treffen.

Niinistös Staatsbesuch in Schweden - der erste des finnischen Präsidenten seit zehn Jahren - lieferte symbolische Bilder für den Schulterschluss der beiden Länder. Der Besuch war lange schon geplant gewesen, dass er nun zusammenfiel mit den Tagen der historischen Entscheidung für den Nato-Beitritt in Schweden und in Finnland, wurde in beiden Ländern als glücklicher Zufall empfunden. Seinen Besuch im schwedischen Parlament schloss Niinistö mit den Worten: "Von nun an schreiten wir gemeinsam voran."

Nicht handeln wäre riskanter gewesen, sagte der Finne

"Es gibt Momente in der Weltgeschichte, wo es viel klüger ist zu handeln als zu zögern", hatte Niinistö zuvor den Parlamentariern erklärt. Nicht handeln wäre riskanter gewesen. Als Nato-Mitglied werden Finnland und Schweden sich nun Norwegen, Dänemark und Island anschließen, die längst Teil des Verteidigungsbündnisses sind. Man werde ein "starkes nordisches Quintett" innerhalb der Nato bilden, zudem werde die Kooperation mit den baltischen Staaten eine "neue Tiefe" erlangen.

Nato-Erweiterung: Empfang beim eigentlichen Gastgeber: König Carl Gustaf XVI. von Schweden mit dem finnischen Staatsoberhaupt im Hof des Stockholmer Schlosses.

Empfang beim eigentlichen Gastgeber: König Carl Gustaf XVI. von Schweden mit dem finnischen Staatsoberhaupt im Hof des Stockholmer Schlosses.

(Foto: IMAGO/Markku Ulander/IMAGO/Lehtikuva)

Niinistös Gastgeber, der schwedische König Carl Gustaf, sprach von einer "historischen Entscheidung", die man gemeinsam mit dem "Bruderland" treffe. Tatsächlich war die Metapher von den "Brüdern" Finnland und Schweden in Schweden in den letzten Tagen eine viel gebrauchte. Sie nahm allerdings eine andere Form an als in der Vergangenheit. Schweden zählt mit knapp zehn Millionen Bürgern doppelt so viele Einwohner wie Finnland. Das schwedische Königshaus hatte einst 600 Jahre lang über Finnland geherrscht. Man ist in Stockholm gewohnt, Vorbild und Vorreiter zu sein, zum Unmut vieler Finnen: Diese beklagen sich gerne über die Arroganz der Schweden, die in den Finnen immer die kleinen Brüder sahen.

Plötzlich scheint die alte Hierarchie der Länder auf dem Kopf zu stehen

Nun aber hat das so überraschte wie zögerliche Schweden in den letzten Wochen und Monaten zusehen müssen, wie Finnland die Initiative ergriff in der Nato-Frage - und die schwedische Politik praktisch hinter sich herzog. Gleich mehrere schwedische Zeitungen nahmen das zum Anlass, die alte Hierarchie auf den Kopf zu stellen, und Finnland für den Moment zumindest zum großen Bruder zu erklären.

"Danke für deine Nato-Hilfe - großer Bruder Finnland!", titelte das konservative Stockholmer Boulevardblatt Expressen vergangene Woche - auf Finnisch. "Danke für deinen Mut und deine Coolness, Finnland" schrieb am gleichen Tag die liberale Dagens Nyheter. Und rechtzeitig zur Landung des finnischen Präsidenten in Stockholm nun zog auch das bürgerliche Svenska Dagbladet nach, das Sauli Niinistö seinen Lesern vorstellte als "geradlinigen und furchtlosen Anführer" und ihn dann willkommen hieß mit den Worten "Vielen Dank für Ihre Hilfe, die auch Schweden auf den richtigen Weg geführt hat".

Die russische Regierung verkündete am Dienstag, die Ausweisung zweier finnischer Diplomaten. Gleichzeitig schien Moskau die Bedeutung einer Nato-Mitgliedschaft von Finnland und Schweden herunterspielen zu wollen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte am Dienstag, der Beitritt der beiden Länder mache wohl "keinen großen Unterschied", da beide schon seit vielen Jahren aktiv teilnehmen an Nato-Manövern.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusNordeuropa
:Neue Front in der Arktis

Moskau reagiert bisher verhalten auf den Wunsch Finnlands und wohl bald auch Schwedens, der Nato beizutreten. Doch der Konflikt könnte zu einem Aufrüsten im hohen Norden führen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: