Viele Asylbewerber in Deutschland arbeiten offenbar schwarz und zu Dumpinglöhnen. Das berichtet der Norddeutsche Rundfunk (NDR). Recherchen des Senders haben ergeben, dass Flüchtlinge immer wieder Schwarzarbeiterjobs gegen Provision vermittelt bekommen.
Teils würden Besucher der Unterkünfte die Angebote machen, in einigen Fällen nach NDR-Informationen sogar Mitarbeiter von Asylbewerberunterkünften. Demnach hat sich ein solcher Fall im niedersächsischen Neu Wulmstorf zugetragen. Dort hatte ein arabischsprachiger Mitarbeiter nach Angaben des Betreibers Human Care unter anderem versucht, unangemeldete Jobs zu vermitteln. Gegen Provision habe er außerdem Wohnungen und Privilegien in der Unterkunft angeboten. Laut NDR hat sich Human Care von dem Mitarbeiter getrennt und Strafantrag gestellt. Das bestätigte das Unternehmen auf SZ-Anfrage. Man könne sich wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens jedoch nicht näher zu dem Vorfall äußern.
Experten vermuten eine hohe Dunkelziffer
Wie viele Flüchtlinge ungemeldete Jobs annehmen, ist allerdings unklar. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Unter den im vergangenen Jahr rund 1,1 Millionen Flüchtlingen vermuten Wissenschaftler der Universitäten Tübingen und Linz in einer Studie potenziell bis zu 30 Prozent Schwarzarbeiter.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) teilte auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung mit, über keine validen Angaben zu illegaler Arbeit von Asylbewerbern zu verfügen. Man erhalte bei diesem "schwierigen Thema" nicht unbedingt Rückmeldung von Schwarzarbeitern oder Dumpinglöhnern.
Bei European Homecare, dem nach eigenen Angaben größten deutschen Privatdienstleister für Flüchtlingsunterkünfte, sieht man den Hauptgrund für Schwarzarbeit von Flüchtlingen in deren "erzwungener Tätigkeitslosigkeit", wie Unternehmenssprecher Klaus Kocks der SZ sagte. Die "extrem lange" Wartezeit sei in ihren Auswirkungen für Flüchtlinge "hochdramatisch". European Homecare beschäftige dennoch keine Mitarbeiter, die Flüchtlinge in Schwarzarbeit vermittelten.
Arbeitsmarkt:24 000 Flüchtlinge haben Jobs
Das erste Etappenziel ist erreicht, doch viele arbeiten als Aushilfen
Kocks schließt allerdings nicht aus, dass ehrenamtliche Helfer Asylbewerbern entsprechende Angebote machen. Vermutlich gehe es diesen Leuten nicht um eigenen Profit, sondern darum, die Flüchtlinge in ihrer mentalen Situation zu entlasten. "Auch, wenn es steuerrechtlich natürlich problematisch ist", sagt Kocks, der jedoch keine "nennenswerten Fälle" kennt. Die Zahl derartiger Vorfälle ist nach Meinung von European Homecare ohnehin relativ klein. Das Unternehmen betreibt 100 Einrichtungen, in denen etwa 13 000 Asylbewerber leben.
Konkrete Erhebungen zur illegalen Arbeit von Asylbewerbern hat auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl nicht. Ihr geht es jedoch auch vielmehr um die Ursachen dafür. "Man muss sich doch erst einmal fragen, weshalb Flüchtlinge illegal arbeiten", sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, der SZ.
Warum es schwierig ist, legal "schnelles Geld" zu verdienen
Viele Asylbewerber wollten Frau und Kinder aus dem Heimatland in Sicherheit bringen und müssten deshalb "schnelles Geld verdienen". Wegen langsamer Asylverfahren sei das auf legalem Weg aber schwierig. Burkhardt verwies außerdem darauf, dass eine Flucht nach Deutschland seit der Schließung der Balkanroute und dem Flüchtlingspakt von Europäischer Union und Türkei noch teurer geworden sei. "Viele Asylbewerber kommen mit Schulden in Deutschland an."
Die Politik nehme illegales Arbeiten von Asylbewerbern billigend in Kauf oder fördere es gar, so Burkhardt mit Blick auf Verzögerungen beim legalen Familiennachzug. Die Erkenntnisse über illegal arbeitende Asylbewerber untermauerten die Forderung von Pro Asyl nach schneller Integration. Ohnehin werde ein faires Asylverfahren in der Debatte über die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt oft vernachlässigt.
Das Anfang August in Kraft getretene Integrationsgesetz der Bundesregierung will Asylbewerbern einen leichteren Start in legale Arbeitsverhältnisse ermöglichen. Es sieht unter anderem eine niedrigschwellige Heranführung an den Arbeitsmarkt vor. Wie der NDR berichtet, sehen Sozialarbeiter und Flüchtlingshelfer darin aber nur einen ersten Schritt. Sie rechnen vorerst nicht damit, dass die Zahl der Flüchtlinge in Schwarzarbeit merklich zurückgehen wird.