Claudia Roth hat etwas mit der Kanzlerin gemeinsam. Wie Angela Merkel war sie schon 2005 dabei, als Union und Grüne sich zu ihrem bisher einzigen Sondierungsgespräch trafen. Die Sache war damals schnell erledigt, man redete eher pro forma, am Ende stand die große Koalition. Und nun? Gibt es eine zweite Runde, so viel weiß die Grünen-Chefin, als sie am Donnerstagabend ein paar Minuten vor acht im Reichstagsgebäude im Aufzug steht.
Neben ihr steht ihr Co-Vorsitzender Cem Özdemir, die beiden kommen gerade aus der Parlamentarischen Gesellschaft vom Sondierungsgespräch mit der Union. Jetzt wollen sie vor die Presse treten und auf dem Weg nach oben, drei Etagen lang, möglichst nicht zu viel verraten. Drei Etagen und so viele Fragen: Wie war es? Gab es Überraschungen, Schwierigkeiten, Angebote? So viel aber verrät Claudia Roth dann doch: Man sei zeitlich nicht durchgekommen, sagt sie, dann schweigt sie weiter.
Drei Stunden hat die schwarz-grüne Sondierung mit 22 Teilnehmern gedauert, so lang wie die schwarz-rote vor einer Woche. Auf dem Tisch stand Kuchen, außerdem gab es Schnittchen. Bei den Sozialdemokraten hatte es noch Kartoffelsuppe mit Würstchen gegeben. Und auch wenn das keiner der Teilnehmer so sagt, kann man hinterher doch das Fazit ziehen: Hat ja gar nicht weh getan. Jedenfalls nicht so wie erwartet.
Diskussion auf hohem Niveau
Hatte CSU-Chef Horst Seehofer nicht erklärt, sich gar nicht mit Jürgen Trittin an einen Tisch setzen zu wollen? Und hatten die Grünen nicht CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zu einer Art Unperson erklärt, weil er die Debatte über pädophile Strömungen in den Anfangsjahren der Grünen im Wahlkampf für heftige Attacken auf deren Spitzenpersonal genutzt hatte? Über diese Verletzungen, so ist nach dem Gespräch zu hören, verlor man in der Parlamentarischen Gesellschaft kein Wort. Lediglich Claudia Roth sprach einmal vom "freundlichen Herrn Alexander".
Cem Özdemir zitierte nach der Eröffnung durch Angela Merkel den Philosophen Hans-Georg Gadamer: Ein Gespräch setze voraus, dass der andere Recht haben könne. Danach ging es um die verschiedenen Themenfelder, beispielsweise um die Europapolitik. Hier führten Jürgen Trittin und Wolfgang Schäuble das Wort - auf der einen Seite der gerade abgetretene Fraktionsvorsitzende, der sich in den vergangenen Jahren zum Experten für Weltfinanzen weitergebildet hat. Und auf der anderen Seite der Bundesfinanzminister.
Es ging offenbar länger um diesen Komplex, und das Gespräch muss sich hier auf hohem Niveau bewegt haben - jedenfalls ist hinterher von Seiten der Union viel Lob für Trittin zu hören, für dessen Sachkenntnis und Vorbereitung. Inhaltlich aber, so hört man von den Grünen, habe man erst einmal lediglich Positionen ausgetauscht, etwa beim Altschuldentilgungsfonds, den die Grünen wollen, der Finanzminister aber nicht. Oder beim von Merkel durchgesetzten Sparkurs in Europas Süden. Hier haben die Grünen eine entscheidende Schwachstelle: Sie kritisieren diesen Kurs zwar, aber im Bundestag haben sie Merkels Europapolitik stets mitgetragen.
Kleine Verbalrangelei beim Thema Infrastruktur
Worum es noch ging? Um Windenergie, beispielsweise. Hier kam es zu einer kleinen Kabbelei zwischen Horst Seehofer und Anton Hofreiter, dem neu gewählten Fraktionschef der Grünen. An deren Ende sagte Seehofer seinem bayerischen Landsmann in beinahe großväterlichem Ton, der Herr Hofreiter möge mal mit ihm durch Bayern ziehen, dann werde er ihm schon zeigen, wie sich das mit den Windrädern verhalte.
Eine andere kleine Verbalrangelei gab es beim Thema Infrastruktur. Um den Straßenausbau ging es, als Verkehrsminister Peter Ramsauer von der CSU den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann von den Grünen anging: Was Kretschmann da erzähle, stehe aber ganz anders in dessen Stuttgarter Koalitionsvertrag. Folgen hatte das nicht, auch sonst soll es friedlich zugegangen sein. Auch wenn es von Seiten der Grünen hinterher heißt, die kleine Attacke Ramsauers sei die einzige Gelegenheit gewesen, bei der von der CSU überhaupt mal jemand anderes als Seehofer das Wort ergriffen habe.
Ansonsten geben sich die Grünen hinterher positiv überrascht davon, wie gut die Kanzlerin sich beim Thema Energiewende in den Details ausgekannt habe. Sie habe auch ziemlich genau gewusst, worauf es den Grünen hier ankomme, ist hinterher zu hören - auch wenn es kein konkretes Angebot gegeben habe. Bei einem anderen Thema zeigen sie sich weniger angetan: bei der Einführung von europäischen Obergrenzen für den Spritverbrauch. Da hatte Trittin der Kanzlerin noch am Morgen im Radio vorgeworfen, sie sabotiere einen möglichen Kompromiss. Und hier wird nach dem Gespräch verbreitet: keine Bewegung.
Am Dienstag wird es eine Entscheidung geben müssen
Aber kann man an einem solchen Abend überhaupt von Bewegung oder Nichtbewegung sprechen? So richtig konkret kann man ja noch nicht werden, es geht ums Abklopfen, und manche Themen kommen auch gar nicht erst dran, die Außenpolitik etwa. Auch die Flüchtlingspolitik, in den Tagen zuvor vor allem von Seiten der Grünen noch zum großen Thema erklärt, wird bei diesem Treffen allenfalls angerissen.
Es kommt nun also auf den Dienstag an - und dann wird es auch schon eine Entscheidung geben müssen, wie es weitergeht. Am Freitag danach beginnt schon der Grünen-Parteitag, und dort müssen die Spitzengrünen den Delegierten eine klare Ansage machen, wohin die Reise geht: Koalitionsverhandlungen oder Opposition?
Wie auch immer das ausgeht, weiter als 2005 ist man schon mal. Angela Merkel und Claudia Roth treffen sich nächste Woche zu ihrem dritten Sondierungsgespräch.