Süddeutsche Zeitung

Schwarz-Grün:Geschäft auf Gegenseitigkeit

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Die Kanzlerin und das neue Spitzenteam der Grünen könnten sich ein Bündnis wohl durchaus vorstellen.

Von Nico Fried

Auf den ersten Blick kann Angela Merkel zufrieden sein. Die Grünen haben jene zwei Kandidaten als Spitzenteam für die Bundestagswahl erwählt, die am ehesten zu einer Koalition mit der Union bereit zu sein scheinen: Katrin Göring-Eckardt ist der Kanzlerin seit vielen Jahren wohlbekannt, wenn auch nicht immer so hoch angesehen, wie oft vermutet wird; Cem Özdemir kommt aus Baden-Württemberg, wo Grüne und CDU schon im letzten Jahrtausend das erste Mal über eine gemeinsame Regierung verhandelten. Die haben sie mit einiger Verspätung und unter anderen Vorzeichen mittlerweile verwirklicht. Da es neben Hessen schon die zweite schwarz-grüne Koalition ist, würden sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nicht mehr so schlecht darstellen wie 2013, als eine Regierung aus Union und Grünen im Bund noch kein einziges Pendant in der Länderkammer gehabt hätte.

Ginge es nur nach Merkel, Göring-Eckardt und Özdemir, käme 2017 eine gemeinsame Regierung bei entsprechenden Mehrheiten wohl zustande. Grundsätzlich hat die Kanzlerin mit dem Atomausstieg - einem Plagiat des von ihr zuerst bekämpften rot-grünen Modells - das bedeutendste Hindernis längst aus dem Weg geräumt. Mit ihrer Flüchtlingspolitik erwarb sich Merkel gerade unter Grünen-Wählern zudem persönliche Sympathien. Manchenorts wäre eine Annäherung von Schwarz und Grün schon im Wahlkampf ein naheliegendes Geschäft auf Gegenseitigkeit: So könnten in Bayern erkennbar pro Merkel blinkende Grüne manchem Wähler ermöglichen, die Kanzlerin zu unterstützen, ohne die CSU wählen zu müssen.

Widerstand wäre zu erwarten - und das nicht zu knapp

Widerstand ist dennoch zu erwarten, und das nicht zu knapp. Viele Grüne neigen eher zu einer Koalition mit SPD und Linken. Sie könnten sich nicht zuletzt darauf berufen, nach zwölf Jahren Merkel für einen echten politischen Neuanfang zu stehen. In der Außenpolitik aber ist seit der Ukraine-Krise das Verhältnis von Grünen und Linken schwer belastet. Gleichwohl ist die Zuneigung zur FDP und einer möglichen Ampelkoalition aus SPD, Grünen und Liberalen noch weniger ausgeprägt.

Kein Interesse an Schwarz-Grün hat auf der anderen Seite die CSU bisher bekundet. Sie befürchtet vor allem unter ihren Stammwählern negative Reaktionen und Einbußen bei der Landtagswahl 2018. CSU-Chef Horst Seehofer hatte schon 2013 die entscheidenden Konzessionen an die SPD durchgesetzt, um einer großen Koalition im Bund den Weg zu ebnen. Mit seinem Widerstand gegen einen schwarz-grünen Bundespräsidenten und seiner Unterstützung für Frank-Walter Steinmeier sandte Seehofer jüngst ein ähnliches Signal. Prompt moserte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nun auch am Ergebnis der Urwahl herum. Noch auf dem letzten Parteitag seien "die Gaga-Grünen mit Karacho scharf nach links abgebogen". Das Ergebnis jetzt sei ein "Signal der Zerrissenheit", sagte Scheuer der Rheinischen Post.

Die SPD dürfte mit gemischten Gefühlen auf das Spitzenteam schauen. Göring-Eckardt wird unter Sozialdemokraten wenig geschätzt, Özdemir ist respektiert. Den Ruch schwarz-grüner Präferenz der beiden kann die SPD immerhin zur Mobilisierung der eigenen Klientel einsetzen. Nur den Sturz Merkels kann auch sie nicht versprechen, schließlich ist eine große Koalition derzeit das wahrscheinlichste Ergebnis der Wahl am 24. September.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2017
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