Schwarz-gelber Niedergang:Schlimmer geht's immer

Wie lange hält die Bundesregierung diese Serie von politischen Katastrophen noch durch? Seit dem gloriosen Wahlsieg vor anderthalb Jahren kennt die Erfolgskurve von Schwarz-Gelb nur einen Trend - abwärts. Was bisher geschah, wie Merkel und Westerwelle ihr Kapital verspielten:

Die Chronik des Niedergangs.

20 Bilder

Bundestagswahl 2009

Quelle: ddp

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Ein Tag, so wunderschön ...: Am 27. September 2009 triumphieren CDU, CSU und FDP. Mit deutlicher Mehrheit stimmen die Deutschen bei der Bundestagswahl für eine schwarz-gelbe Koalition. Vor allem FDP-Chef Guido Westerwelle strahlt, die Liberalen haben 14,6 Prozent, ein historisches Ergebnis. Was er da noch nicht weiß: Von nun an geht's bergab.

Guido Westerwelle, Horst Seehofer, Angela Merkel

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Als die Zukunft noch rosig schien: Knapp einen Monat nach der Bundestagswahl unterschreiben die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) am 26. Oktober 2009 den Koalitionsvertrag. Grund für die Eile: Die Koalition will bei den Feierlichkeiten zu 20 Jahren Mauerfall am 9. November als neue Regierung auftreten. In der Eile bleiben wichtige Fragen offen: zu Steuererleichterungen, Wachstums- und Bildungsfragen - was in den Monaten danach einigen Streit provozieren wird.

FDP wehrt sich gegen Vorwurf der Käuflichkeit

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Das Hotel-Fiasko: Als eine ihrer ersten Handlungen beschließt die schwarz-gelbe Koalition, die Mehrwertsteuer für Hotels zum Januar 2010 zu senken - ein Wunsch von CSU und FDP. Kurz darauf wird bekannt, dass die Liberalen vor der Bundestagswahl eine Spende über 1,1 Millionen Euro vom Besitzer des Hotelkette Mövenpick erhalten haben. Opposition und Öffentlichkeit werfen ihnen Klientelpolitik vor.

Ausschuss untersucht Kundus-Luftschlag

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Der erste Rücktritt der neuen Regierung: Noch vor der Wahl, am 4. September 2009, hatten Nato-Flugzeuge auf Bitte eines deutschen Kommandeurs im afghanischen Kundus zwei Tanklaster bombardiert. Es dauert Tage, bis der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) zugibt, dass unter den mehr als 100 Toten auch Zivilisten waren. Ein Untersuchungsausschuss beschäftigt sich in den Monaten nach der Wahl mit der Frage, ob die Regierung diese Information aus Wahlkampfgründen zurückgehalten hat ...

Franz Josef Jung

Quelle: AP

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... und welche Rolle Jung - inzwischen Arbeitsminister - dabei spielte. Nach nur 30 Tagen in seinem neuen Amt muss er zurücktreten. Auch Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) macht beim Krisenmanagement keine gute Figur: Er entlässt den Generalinspekteur und einen Staatssekretär, kann aber nicht alle Zweifel daran ausräumen, dass er in der Affäre immer die Wahrheit gesagt hat.

Bundestag - Rede Westerwelle

Quelle: dpa

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Die Dekadenz-Provokation: "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein. An einem solchen Denken kann Deutschland scheitern." Mit diesen Worten kritisiert FDP-Chef Westerwelle nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine angebliche "Hartz-IV-Mentalität" in Deutschland und löst Empörung aus, auch in der Koalition. Doch Westerwelle entschuldigt sich nicht, sondern legt nach: Die ganze Diskussion trage "klar sozialistische Züge". Unbeeindruckt zeigt sich Westerwelle auch, als Vorwürfe aufkommen, Begleiter bei seinen Ministerreisen könnten geschäftliche, private und politische Interessen verquickt haben. In den Umfragen stürzt die FDP in Rekordtempo ab.

Wahlen NRW - Rüttgers

Quelle: dpa

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Die bis dato schlimmste Niederlage: Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010 verliert die CDU mehr als zehn Prozentpunkte, Schwarz-Gelb muss die Regierung an eine rot-grüne Minderheitskoalition abgeben. Kurz vor der Wahl war bekanntgeworden, dass Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (Bild) anbieten hatte lassen, für 6000 Euro Unternehmer zu Gesprächen zu treffen.

Jahresrueckblick Mai 2010: Ruecktritt Bundespraesident Koehler

Quelle: dapd

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Das Präsidenten-Fiasko: Beim Afghanistan-Besuch sagt Bundespräsident Horst einem Radioreporter Sätze, die es in sich haben. "Ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und Außenhandelsabhängigkeit" müsse "auch wissen, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege", ist der Wortlaut. Das kann man als wirtschaftliche Rechtfertigung des Afghanistan-Kriegs lesen. Die Opposition fordert eine Klarstellung, Köhler lässt seine Äußerungen aufweichen - doch kaum einer aus der Regierung springt ihm bei. Im Spiegel auch noch als "Horst Lübke" tiutuliert (anspielend auf den oft verspotteten Vorgänger Heinrich Lübke), wird es Köhler zu bunt. Die heftige Kritik lasse den "notwendigen Respekt" vor seinem Amt vermissen, echauffiert sich der Bundespräsident am 31. Mai 2010 - und tritt zurück. Kanzlerin Merkel hat ein Personalproblem an der Staatsspitze.

Wahl des Bundespraesidenten

Quelle: ddp

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Das Präsidenten-Fiasko, Teil 2: SPD und Grüne entzücken die Deutschen mit dem Bürgerrechtler Joachim Gauck als Präsidentschaftskandidaten. Union und FDP stellen nach einigem Hin und Her, das die CDU-Arbeitsministerin und Kurzzeit-Kandidatin Ursula von der Leyen beschädigt zurücklässt, den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff auf. Er sieht gegen Gauck blass aus. Seine Wahl in der Bundesversammlung wird fast zur Farce. Viele Abweichler in den eigenen Reihen machen drei Wahlgänge nötig, bis der CDU-Politiker als Köhlers Nachfolger feststeht.

Opel ist Thema im Thüringer Landtag

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Von Gurken und Säuen: Die Debatte über eine Kopfpauschale bringt die Gemüter bei Schwarz-Gelb richtig in Wallung. Wortgewaltig fallen die Koalitionspartner übereinander her. "Die CSU ist als Wildsau aufgetreten, sie hat sich nur destruktiv gezeigt", schimpft FDP-Staatssekretär Daniel Bahr. Die Gegenattacke: CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erkennt in der FDP eine "gesundheitspolitische Gurkentruppe". Da freut sich die Opposition - der thüringische SPD-Wirtschaftsminister Matthias Machnig (Bild) spottet öffentlich über diese rhetorische Vorlage.

Jahresrückblick Hessen

Quelle: dpa

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Rücktritte in Serie: Ministerpräsidenten der Union werden 2010 reihenweise amtsmüde. Roland Koch (Hessen) und Ole von Beust (Hamburg) kündigen ihren Rückzug aus der Politik an, auch Peter Müller (Saarland) und Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt) werden sich in naher Zukunft zurückziehen. Koch wird Vorstandsvorsitzender von Bilfinger Berger - ein umstrittener Wechsel zu einem Privatunternehmen, das von öffentlichen Aufträgen stets profitierte.

Stuttgart 21 - Demonstrant droht zu erblinden

Quelle: dpa

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Das Stuttgart-21-Drama: Merkel hatte einen Herbst der Entscheidungen versprochen, es wurde der Herbst gegen Stuttgart 21. Was mit friedlichen Protesten begann, eskalierte Ende September im Stuttgarter Schlossgarten: Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen die Gegner des geplanten unterirdischen Bahnhofs ein, viele Demonstranten wie dieser Rentner wurden verletzt. Die Kanzlerin hatte sich klar für den Umbau ausgesprochen - und die Landtagswahlen in Baden-Württemberg im März 2011 zur Volksabstimmung über Stuttgart 21 erklärt, was nun anders ausging als erhofft.

Hamburger Bürgerschaftswahl SPD

Quelle: dpa

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Das erste Wahlfiasko 2011: Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg fährt Bürgermeister Christoph Ahlhaus eine katastrophale Niederlage ein. Die CDU stürzt von 42,6 Prozent auf 21,9 Prozent. Hamburgs CDU-Chef warnt vor einer Selbstzerfleischung der Partei, und die SPD jubelt über eine absolute Mehrheit. Olaf Scholz kann als Erster Bürgermeister sogar alleine regieren.

Guttenberg tritt zurueck

Quelle: dapd

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Das Scheitern eines Stars: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war fast zwei Jahre der Hoffnungsträger der Union. Doch dann stürzt der beliebteste Politiker der schwarz-gelben Koalition über die Plagiatsaffäre. In seiner Doktorarbeit hatte er zahlreiche Stellen aus anderen Arbeiten und Zeitungstexten übernommen und nicht ordnungsgemäß zitiert. Die Vorwürfe, die "KT" zunächst noch als abstrus zurückwies, kosten ihn Ende Februar den Doktortitel und Anfang März das Amt. Zumal er neben der Affäre noch andere Probleme bekommen hatte. Dass er wegen Todesfällen auf dem Ausbildungschiff Gorch Fock nach einer Aufforderung der Bild-Zeitung den Kapitän vorübergehend abrief, provozierte Kritik. Und auch in der Affäre um geöffnete Feldpost geriet Guttenberg unter Druck.

Satellite file image shows the damaged Fukushima Daiichi Power Plant

Quelle: DigitalGlobe

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Merkels Atomausstieg-Ausstieg-Ausstieg: Am 11. März 2011 erlebt Japan das schwerste Erdbeben seit Beginn der Aufzeichnungen in dem Land. Ein Tsunami überschwemmt die Nordostküste des Landes - im Atomkraftwerk Fukushima-1 fällt daraufhin die Kühlung aus, die Regierung ruft den atomaren Notstand aus. Die Lage gerät außer Kontrolle. Für die schwarz-gelbe Regierung, die kürzlich die umstrittene Laufzeitverlängerung für Deutschlands Atomkraftwerke beschlossen hat, ist das die nächste schwere Krise und führt zur blitzartigen politischen Kehrtwende. Am 15. März verkündet Kanzlerin Angela Merkel ein dreimonatiges Moratorium für die Laufzeitverlängerung, einige alte Meiler werden vorläufig abgeschaltet. Es ist ...

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Quelle: AFP

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... der Versuch, kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eine neue AKW-Debatte kleinzuhalten - zumindest sagt das Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) laut Protokoll beim Bundesverband der Deutschen Industrie. In der letzten Märzwoche wird die Aussage des Koalitionspolitikers durch einen Bericht der Süddeutschen Zeitung bekannt. Brüderle im Wortlaut: Vor wichtigen Wahlen laste "Druck auf der Politik", Entscheidungen seien "nicht immer rational". Brüderles Dementiversuche konnten an der katastrophalen Wirkung nichts mehr ändern, BDI-Geschäftsführer Werner Schnappauf (CSU), der die Verantwortung für das Protokoll übernahm, trat zurück.

Landtagswahl Sachsen-Anhalt

Quelle: dapd

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Der erste FDP-Flop 2011: Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 20. März kommt die CDU glimpflich davon und wird mit nur leichten Verlusten wieder stärkste Partei. Und trotzdem ist es für die schwarz-gelbe Koalition kein erquicklicher Wahltag - die Liberalen fliegen mit weniger als fünf Prozent aus dem Landtag.

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Quelle: AFP

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Das Libyen-Debakel: Seit Wochen kämpfen im März 2011 in Libyen Aufständische gegen die Truppen des Diktators Muammar al-Gaddafi. Er lässt auf sein Volk schießen, die Welt sieht entsetzt zu. Auch Deutschland ruft dazu auf, den Rebellen zur Hilfe zu kommen - doch als der Weltsicherheitsrat über eine Flugverbotszone über Libyen abstimmt, enthält sich die Bundesregierung, zur Empörung seiner westlichen Partner. Deutschland ist isoliert, ein ständiger Sitz in dem wichtigen UN-Gremium in weite Ferne gerückt. Kanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle wollten sich als Friedensmacht profilieren, doch der Versuch endet in breiter internationaler Kritik.

Landtagswahl Baden-Württemberg

Quelle: dpa

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Die schlimmste Schlappe von Schwarz-Gelb: Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben gewählt - und wie. Der baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus (Bild) erleidet ein Debakel. Die FDP schafft es in ihrem Stammland Rheinland-Pfalz, Brüderles Heimat, nicht mehr in den Landtag. Das Ergebnis darf bundespolitisch interpretiert werden. Es kündigt eine tiefe Krise der schwarz-gelben Regierung an, die schwerste seit dem Start vor anderthalb Jahren.

Westerwelle tritt nicht mehr für FDP-Vorsitz an

Quelle: dpa

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Der liberale Lotse geht von Bord: Eine Woche nach den Landtagswahlen zieht FDP-Chef Guido Westerwelle die Konsequenz aus der immer lauter werdenden Kritik an seiner Person. Er werde bei dem FDP-Parteitag im Mai nicht mehr als Vorsitzender kandidieren, sagt er auf einer kurzen Pressekonferenz. Dafür will Westerwelle Außenminister bleiben. Ob die in Aufruhr geratene FDP ihm das zugesteht und was die Führungskrise bei den Liberalen für die schwarz-gelbe Koalition bedeutet, wird sich zeigen.

© sueddeutsche.de/isch/liv
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