Süddeutsche Zeitung

Schwarz-gelbe Steuerpolitik:Üble Spiele

Die Koalition finanziert sich auf Pump. Die Rekordverschuldung ist nur zu verkraften, wenn Union und FDP endlich ihre Steuersenkungspläne aufgeben.

Guido Bohsem

Die Summe, über die der Bundestag derzeit in der Haushaltsdebatte berät, ist unvorstellbar. 85,8 Milliarden Euro will sich der Bund in diesem Jahr bei den Banken leihen, um seine Ausgaben zu finanzieren. Ein solcher Kredit reicht aus, um alle neuen Autos zu kaufen, die 2008 zugelassen wurden. Wem das zu umständlich ist, der könnte auch locker das Unternehmen Daimler kaufen und BMW gleich dazu. Oder er könnte jedem Bürger 1000 Euro schenken, dann hätte er immer noch reichlich übrig, um sich ein paar Bundesliga-Vereine zu leisten.

85,8 Milliarden Euro - natürlich ist diese Riesensumme ein Rekord, der ohne das Zwangsdoping durch die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht erreicht worden wäre. So viel wie Wolfgang Schäuble musste sich noch kein Finanzminister pumpen. So tief wie 2009 ist die deutsche Wirtschaft nie zuvor in eine Rezession gestürzt.

Es gibt nur wenige, die der schwarz-gelben Regierung dieses gigantische Haushaltsloch ankreiden. Denn es wäre fatal, in dieser immer noch fragilen Situation zu sparen, und es ist richtig, die Konjunktur mit staatlichen Hilfen zu stimulieren. Und doch stellt sich nach noch nicht einmal hundert Tagen die Frage, ob diese Koalition aus Union und Liberalen fähig ist, die richtigen Schlüsse aus dieser Zahl zu ziehen.

Insbesondere die Liberalen sind dazu offenkundig nicht in der Lage. Es waren nicht die katastrophalen Haushaltszahlen, sondern die sinkenden Umfragewerte, die sie dazu brachten, einer Verschiebung der von ihnen geforderten Steuersenkungen zuzustimmen. Steuersenkungen wohlgemerkt, die sich das Land ohnehin nicht leisten kann. Es sei denn, die Bundesregierung ist bereit, um der Wahlkampfpropaganda der FDP willen der europäischen Währungsunion zu schaden, die Stabilität des Euros zu gefährden und einen bewussten Bruch des Grundgesetzes vorzunehmen.

Illusorische Steuerpläne

Aber auch CDU und CSU spielen ein übles Spiel. Jeder Unionspolitiker in Bund und Land - sofern er sich auch nur zehn Minuten mit der erst kürzlich verabschiedeten Schuldenbremse beschäftigt hat - weiß, dass die Steuerpläne völlig illusorisch sind.

Wer so tut, als ob die Steuerschätzung im Mai daran auch nur das Geringste ändern würde, täuscht die Öffentlichkeit mit dem Ziel, die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen nicht zu verlieren. Das ist schnöde und einer erklärten Staatspartei unwürdig.

Bis zum Ende der Legislaturperiode wird die Koalition Angestellten, Beamten, Rentnern, Arbeitslosen, Kranken, Familien, Kulturfreunden und Unternehmen einiges zumuten müssen. Einschnitte sind gewiss, Kürzungen absehbar, Steuererhöhungen unvermeidlich. Von dem dafür notwendigen Vertrauen hat das Bündnis bereits viel verspielt - durch das mit Parteispenden begleitete Milliarden-Geschenk an die Hoteliers. Denn wer will dieser Regierung jetzt noch glauben, dass sie die notwendigen Einsparungen zum Wohle aller und nicht nur Einzelner einsetzt?

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Quelle:
SZ vom 20.01.2010/jab
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